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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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als vom Menschen.«
    Das war dem Heidi aus dem Herzen gesprochen. Hatte es auf der Alm nicht erlebt, wie die Geißen miteinander umsprangen, wie der Raubvogel oft stundenlang auf der Felszinne saß, bis er zum tödlichen Angriff in die Tiefe hinabstieß, wie selbst Ameisen ihre eigene Welt errichteten. Ja, das Tierreich war voller Offenbarungen, und es freute Heidi, dass ein Stadtmensch das würdigte.
    »So will ich euch von den Wölfen reden«, sagte Professor Marus.
    Die Uhr schlug zwölf Mal zu Mittag, dann ging es auf eins, auf halb zwei. In der Küche wartete Dete, dass endlich die Klingel ertönte, die anzeigte, dass oben das Mittagessen gewünscht wurde. Doch das Glöcklein schellte nicht. Stattdessen tauchte Sebastian achselzuckend in der Tür auf und erklärte, er wisse nicht, was das bedeute. Bis zum heutigen Tag waren die Unterrichtsstunden auf die Minute pünktlich beendet und sofort das Essen serviert worden.
    Erst als es zwei Uhr schlug, öffnete Fräulein Rottenmeier im ersten Stock die Tür. »Nein, so etwas!«, hörte man sie rufen. »Das habe ich selbst noch nicht gewusst!«
    Der Kandidat trat hinter ihr aus dem Studierzimmer, und
die folgende Prozession mutete so seltsam an, dass Dete und Sebastian mit offenem Munde von unten zusahen. Der junge Mann ging Richtung Speisezimmer; die Frauen umringten ihn wie Mücken ein Kerzenlicht. Die Rottenmeier sprang voraus, die weiten Röcke schwangen um ihre Beine, Heidi lief an der Hand des Lehrers. Klara stieß sich selbst im Stuhl voran und blieb kein Stück zurück.
    Nie war es vorgekommen, dass die Hausdame den früheren Kandidaten zum Mittagstisch gebeten hatte. Er hatte in der Küche das zu essen gekriegt, was die Dienerschaft aß. Bei Marus schien man es für selbstverständlich zu halten, dass er mit der Herrschaft speiste; wohlwollend hatte er die Einladung angenommen.
    »Wo sind Sie abgestiegen?«, fragte Fräulein Rottenmeier, nachdem sich alle um den Tisch gesetzt und sie erfahren hatte, dass der neue Kandidat erst am Vortag in Frankfurt angekommen war.
    »Ich suche offen gestanden noch ein Quartier.« Bescheiden legte er seine Hände übereinander.
    »Aber nicht doch«, antwortete das Fräulein. »Ich bin sicher, es wäre in Herrn Sesemanns Sinn, dass ein Mann, der den Mädchen so Profundes beibringt, ständig in ihrer Nähe bleibt.« Auf Marus’ fragenden Blick fuhr sie fort: »Im dritten Stock, unterm Dach, haben wir ein Gästezimmer. Wenn Euch das Treppensteigen nicht zu beschwerlich ist …« Sie lächelte ermunternd.
    Es schien, als ob der junge Mann sich erst bedenken musste, in Wirklichkeit lächelte der Vampir in sich hinein. Amüsiert, wie leicht ihm die Nähe zu Heidi gemacht wurde, sagte er schließlich: »Ich möchte niemandem zur Last fallen.«

    »Das tut er nicht!«, riefen das Fräulein und Klara wie aus einem Munde.
    »So danke ich für das Anerbieten, stelle allerdings eine Bedingung daran.« Ernst ging sein Blick von der einen zur andern. »Es wäre mir lieb, wenn man mir das Logis im Haus von meinem Salär abziehen würde.«
    Das war nun nicht weiter der Rede wert, und es wurde vereinbart, dass der Professor noch diese Nacht in der Mansarde einziehen sollte.
    Beim darauf folgenden Essen, das schmackhaft und reichlich war, fiel Heidi eine Eigenheit auf, die den beiden anderen entging. Auch wenn der Kandidat sich von Sebastian kleine Portionen auftun ließ, pickte und stocherte er nur auf seinem Teller, führte die Gabel aber kein einziges Mal zum Mund. Er hat in der fremden Stadt noch keinen Appetit, erklärte sich Heidi die Sache und langte selbst hungrig zu. Wie jeden Mittag schob sie ihr Weißbrötchen in die Kitteltasche. Jetzt, da ihr Vorrat entdeckt worden war, musste sie wieder von Neuem zu sammeln beginnen.
     
    Als Heidi am nämlichen Abend in sein Zimmer kam und ins Bett stieg, bedachte es, wie unglaublich sich dieser Tag zum Frohen gewandelt hatte. Mit Verzweiflung, einer Flucht und mit bösen Worten von Fräulein Rottenmeier hatte er angefangen; durch den Eintritt des Lehrers war alles anders geworden. Zum ersten Mal hatte Heidi sich von jemandem, der nicht von der Alp stammte, verstanden gefühlt und für ein paar Stunden die Sehnsucht nach ihrer geliebten Natur vergessen. Der Kandidat hatte so packend erzählt, dass Heidi sich in das jeweilige Gebiet ganz hineinversetzt fühlte.

    Es hatte auch Klara noch nie so lebendig, ja aufgeregt gesehen; die blasse Kranke hatte rote Wangen bekommen und den Kandidaten mit

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