Heike Eva Schmidt
als ich mit meinem Fuß gegen etwas stieß und ein leises Klingeln ertönte. Als ich nach unten blickte, lag dort der Kupferreif. Säuberlich in zwei Teile zerbrochen und so schwarzfleckig und stumpf, wie ich ihn damals nach Sinas Party im Drudenkeller gefunden hatte. Ich bückte mich und starrte ihn wie hypnotisiert an. Unscheinbar und harmlos lag er da, und nichts deutete darauf hin, dass er beinahe zur tödlichen Schlinge geworden wäre.
In diesem Moment fühlte ich Dorotheas Hand auf meinem Arm. Sie war neben mir aufgetaucht und starrte furchtsam auf den Kupferreif. »Rühr ihn nicht an, Cat«, warnte sie.
Lachend richtete ich mich auf und umarmte sie so stürmisch, dass wir beide fast umgefallen wären. »Keine Angst, Dorothea! Der Fluch ist gelöst! Guck mal, ich kann wieder atmen«, sagte ich, und ein Glücksgefühl machte sich in mir breit, als hätte ich einen langen Marsch in eisiger Kälte absolviert und würde gerade eben in ein wunderbar warmes, duftendes Schaumbad gleiten.
»Das ist wunderbar, Cat! Ich bin so froh!«, rief Dorothea und fiel mir nun ihrerseits so heftig um den Hals, dass ich nach hinten taumelte. Zwei kräftige Arme fingen uns auf, und eine Stimme sagte: »Und ich bin erst glücklich …!«
Ich drehte den Kopf und sah in Daniels grinsendes Gesicht.
»Mann, Daniel, du bist so cool!«, schrie ich begeistert und drückte dem verdutzten, frischgebackenen Richter zwei dicke Schmatzer auf die Wangen. Dorothea kicherte. Zum Glück hatte sich bereits ein Großteil der Menschenmenge zerstreut, und auch die Henkersknechte hatten sich still und heimlich aus dem Staub gemacht. Ich hoffte, dass es für sie, ebenso wie für die Hexenkommission, ein denkwürdiges Nachspiel mit einigen Nächten im ehemaligen Hexengefängnis geben würde. Aber Daniel würde das schon – im wahrsten Sinne des Wortes – richten. Wenigstens wurde jetzt keiner Zeuge davon, wie eine Rothaarige, die noch kurz zuvor als Hexe verurteilt werden sollte, den obersten Richter abküsste.
Während sich Daniel und Dorothea Grete zuwandten und der alten Frau auf die Beine halfen, hielt ich Ausschau nach dem Mann, dem mein letzter Gedanke gegolten hatte, ehe ich fast gestorben wäre. Jakob stand etwas abseits und beobachtete uns mit einem Lächeln, das vor allem Erleichterung ausdrückte. Trotzdem lag darin noch etwas anderes, was ich nicht recht deuten konnte. Als er meinen Blick auffing, kam er langsam zu mir herüber.
»Ich kann kaum ausdrücken, wie erleichtert ich bin, dass du lebst, Caitlin. Du und meine Schwester«, sagte er und drückte kurz meine Hände. Ich hätte ihn am liebsten geküsst – und zwar nicht nur auf die Wangen, doch das traute ich mich dann doch nicht. Zudem gesellten sich nun auch Daniel und Dorothea zu uns, nachdem sie Grete in Daniels wärmenden Umhang gewickelt und die ältere Frau zum Ausruhen etwas abseits auf einen Holzklotz gesetzt hatten.
»Jetzt müsst ihr mir aber bitte erzählen, was passiert ist, nachdem die Soldaten mich aus dem Castrum abgeführt haben«, drängte ich.
Die beiden Männer wechselten einen Blick, dann ergriff Daniel das Wort: »Es war nicht einfach, Cat. Jakob ist es zwar gelungen, das kaiserliche Mandat an sich zu bringen und unter seiner Kutte zu verbergen, aber ich hatte so meine liebe Not, mir in der kurzen Zeit, die uns bis zu der angesetzten Hinrichtung blieb, die Richterwürde zu erkämpfen.«
Daniel fuhr sich übers Gesicht. Erst jetzt sah ich, dass auch er erschöpft aussah und schwarze Ringe unter den Augen hatte.
Auch Jakob sah ganz schön angegangen aus, als er den Faden von Daniels Bericht aufnahm. »Mitten in der Nacht hat Daniel seinen Präzeptor aus dem Schlaf geholt, damit dieser ihm und dem Rat der Stadt bestätigte, dass er der Juristerei mächtig sei.«
Daniel schüttelte den Kopf. »Es war ein regelrechtes Spektakel. Ein Schreiben an den Weihbischof wurde verfasst und ein zweites an den Rat der Stadt Bamberg. Während wir die Ratsmitglieder nacheinander aus ihren Häusern geklopft haben, ist Jakob ins Kloster gelaufen und hat seinen Abt geholt, damit er uns Unterstützung zukommen ließ. Wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, bis die Ratsmitglieder endlich beisammen waren und meine Ernennung zum neuen Richter zu Bamberg gebilligt wurde.«
»Noch in derselben Sekunde, da er die Amtswürde erhielt, brach Daniel auf, um das Urteil gegen euch drei auszusetzen«, ergänzte Jakob.
Ich hatte vor Spannung die Luft angehalten, Atemnot war für
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