Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
Vom Netzwerk:
brennenden Pechfackeln hineinzuwerfen. Eine hochgewachsene Männergestalt in prächtigen Hosen, einem seidenen Wams und einer schweren goldenen Kette trat vor.
    Förg, dachte ich entsetzt. Er lebte noch und alles war umsonst …
    »Im Namen des Kaisers und des Reichshofrates in Wien: Dies ist der ausdrückliche Befehl, ausgestellt am 11. Mai und verlesen am Morgen des 17. Mai, sämtliche Prozesse gegen die Bürgerinnen und Bürger Bambergs, angeklagt wegen angeblichen Hexenwerks, mit sofortiger Wirkung einzustellen.«
    Die Worte drangen nur verschwommen in mein Bewusstsein, wie aus einem Fernseher, dessen Antenne vom Blitz getroffen wurde und dessen Ton nicht mehr ganz einwandfrei funktionierte. Um mich herum war vereinzeltes Murren zu hören, aber auch lautes Klatschen und Beifallsrufe, die nach und nach die Proteste übertönten.
    Die Stimme des Mannes erklang erneut: »Ich, Daniel Förg, neuer oberster Richter zu Bamberg, befehle die sofortige Freilassung der drei Verurteilten! Das Todesurteil wegen Hexerei und Buhlschaft mit dem Teufel ist hiermit in allen Anklagepunkten aufgehoben und daher nichtig.«
    Mit schier übermenschlicher Anstrengung fasste ich den feingekleideten Herrn genauer ins Auge. Und da erkannte ich, dass es tatsächlich Daniel war, der die richterliche Amtstracht trug. Während sich Jakob fieberhaft an meinen Fesseln zu schaffen machte, sah ich, dass Daniel Dorothea höchstpersönlich von ihrem Pfahl losband. Mit einem Aufschluchzen sank sie in seine Arme, und er hielt sie so fest, dass ich wusste: Nichts und niemand würde ihn dazu bewegen, sie je wieder loszulassen. Ein beherzter Bürger machte sich derweilen daran, Gretes Fesseln zu lösen. Anschließend trug er die Bewusstlose von dem aufgetürmten Holzhaufen herunter, der beinahe unser aller Flammengrab geworden wäre. Doch während sich Daniel und Dorothea innig umarmten, war mein Problem noch nicht gelöst. Der Reif um meinen Hals schnürte mir erbarmungslos die Luft ab. Japsend zerrte ich an dem Schmuck und sah meine eigene Todesangst in Jakobs Augen gespiegelt, der nun auch merkte, dass etwas nicht in Ordnung war. Ehe er eingreifen konnte, taumelte ich mit letzter Kraft zu Dorothea und krallte meine Hand in ihren Arm. »Grete …«, röchelte ich nur, und sie verstand sofort. Hastig löste sie sich aus Daniels Umarmung und kniete sich neben die ohnmächtige alte Frau.
    »Wasser! So bring doch jemand Wasser!«, rief sie und tätschelte ihrer Nachbarin fieberhaft die Wangen, um sie zu Bewusstsein zu bringen. Ich wollte ein paar Schritte in ihre Richtung machen, doch der Würgegriff des Halsbands ließ mich in die Knie gehen.
    »Cat!«, rief Jakob angstvoll. Ich fühlte seine Finger an meinem Hals, wie sie panisch nach dem Verschluss der Halskette tasteten, und schüttelte den Kopf. Es war sinnlos.
    Ich machte eine matte Kopfbewegung dorthin, wo Dorothea neben Grete kniete. »Es ist … ihr Fluch. Ich sterbe, wenn sie stirbt«, flüsterte ich heiser, und Jakob riss die Augen auf. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass es Dorothea gelungen war, von irgendwoher eine tönerne Schüssel mit Wasser zu bekommen. Sie tauchte ihre Fingerspitzen hinein und versuchte, Gretes Lippen zu benetzen, doch die alte Frau reagierte nicht. Abrupt ließ Jakob mich los. Mit zwei Sprüngen war er bei seiner Schwester, nahm ihr die Wasserschüssel aus der Hand und schüttete den gesamten Inhalt mit Schwung in Gretes Gesicht.
    »Jakob, was tust du?«, schrie Dorothea auf und verstummte sogleich, denn in diesem Moment schlug die alte Frau die Augen auf. Benommen blickte sie sich um, während ihr das Wasser über Stirn, Wangen und Kinn tropfte.
    »Grete«, sagte Jakob eindringlich und nahm ihr Gesicht in beide Hände, »alles ist gut! Ihr seid frei!«
    »Ja«, bestätigte Daniel, der hinzugetreten war, »kraft meines Amtes spreche ich Euch von der Anklage, eine Hexe zu sein, frei. Das Urteil gegen Euch ist aufgehoben!«
    Ein paar Sekunden lang schien die alte Frau es nicht fassen zu können. Dann aber überzog ein Lächeln ihr ausgezehrtes Gesicht.
    Ich war so erleichtert, dass ich im Knien beinahe das Gleichgewicht verloren hätte und wie ein Sandsack aufs Pflaster geklatscht wäre. Grete lebte! Ich atmete auf. Und spürte, dass ich wieder Luft bekam! Der Druck, der mir die Kehle abgeschnürt hatte, war verschwunden. Ebenso der Halsreif. Ich sprang so hastig auf die Füße, als hätte ich einen Stromschlag erhalten. Gierig atmete ich die frische, kühle Morgenluft ein,

Weitere Kostenlose Bücher