Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Purpurmond
Vom Netzwerk:
Mit einem Blick lud Jakob mich ein, mich zu ihm ins Gras zu setzen. Mit dem Rücken an die kratzige Rinde des Baumes gelehnt, hockte ich mich neben ihn. Dicht genug, um die Wärme seines Körpers zu spüren, aber doch so weit entfernt, dass er nicht auf die Idee kommen konnte, ich würde ihm irgendwie zu nahe treten. Dabei wollte ich nichts lieber als das. Aber nach den letzten Stunden hatte ich eine merkwürdige Scheu, weil ich plötzlich nicht mehr sicher war, was er für mich fühlte. Okay, er war zum Essen geblieben, weil ich es mir gewünscht hatte. Trotzdem hatte er seit meiner Rettung vom Scheiterhaufen keine Anstalten mehr gemacht, mich als etwas anderes zu behandeln als die gute Freundin seiner Schwester. Nichts hätte ich in diesem Moment lieber gehabt, als so dicht wie möglich bei ihm zu sein. Und ich wünschte, ich müsste ihn nicht bei Sonnenuntergang verlassen. Bei diesem Gedanken kam wieder der Schmerz, und ich musste unwillkürlich scharf die Luft eingesogen haben, denn Jakob wandte den Kopf und blickte mich an.
    »Was ist mit dir, Caitlin? Tut dir etwas weh?«
    Ich nickte stumm. Jakobs Augen weiteten sich erschrocken.
    »Ist es wegen der Befragung? Hat man dich etwa … gefoltert?«, fragte er besorgt.
    Ich schüttelte den Kopf, und meine Augen füllten sich mit Tränen. Meine Folter bestand aus dem Gedanken, ihn bald nie mehr wiederzusehen.
    Der Tränenschleier ließ alle Konturen verschwimmen, doch plötzlich fühlte ich Jakobs Arm um meine Schulter. Er rückte ein Stück näher, und unsere Körper schmiegten sich eng aneinander. Für diesen einen Moment schüttelte ich alle Gedanken an die Zukunft ab wie einen zu schweren Mantel. Ich hörte auf zu denken und ließ mich in seine tröstende Umarmung fallen. Als er sich zu mir herunterbeugte und wir uns küssten, hörte die Welt auf zu existieren, genau wie beim ersten Mal.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit löste Jakob seine Lippen von den meinen. Ich hörte seine schweren Atemzüge, ehe er heiser sagte: »Cat, eigentlich …« Er brach ab.
    Ich nickte. Er war Mönch, daran gab es nichts zu rütteln. Und ich bin die Letzte, die ihn auf Abwege bringen sollte, dachte ich zerknirscht. Nicht auszudenken, wenn er die Mönchskutte in die Ecke feuerte – und zwei Minuten später wäre ich im Zeitstrudel verschwunden! Aber trotzdem … Gefühle ließen sich nun mal nicht rumkommandieren wie ein Labrador bei der Hundeprüfung.
    »Du hast mich einmal gefragt, ob ich wirklich gläubig sei oder ob mich nur die Studien ins Kloster gelockt hätten«, hörte ich Jakob leise sagen.
    Ich sah hoch und begegnete seinem ernsten Blick.
    »Ich … es war nicht nur die Wissenschaft, Cat. Natürlich war es wunderbar, als auf einmal die ganze Bibliothek dort vor mir lag. Das Studieren ist für mich immer noch wie ein Wunder. Als hätte sich eine Schatztruhe geöffnet, von deren Reichtum ich als kleiner Junge nicht einmal zu träumen wagte …«
    Ich blickte ihn an und dachte, wie einfach es doch 300 Jahre später war, an Bücher zu kommen. Rein in die nächste Buchhandlung oder ins Internet zu Amazon, und schon hatte man allen Lesestoff, den man sich nur wünschte. Schade, dass Jakob das nicht erleben konnte, für ihn wäre es das Paradies, und er hätte dafür nicht einmal ins Kloster gehen müssen. Aber es passte zu ihm, sein Ziel mit aller Energie zu verfolgen. Seine Hartnäckigkeit hatte auch Dorothea und mich vor dem Scheiterhaufen gerettet.
    Jakob seufzte leicht. »Ich glaube an Gott. Und an meine Bestimmung als Mönch«, fuhr er fort. »Jedoch – als ich dich traf …« Er schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, als hätte er beim Sudoku eine unlösbare Zahlenreihe entdeckt.
    »Ja?«, fragte ich gespannt.
    »Auf einmal schien beides möglich. Gott zu lieben und … dich«, sagte er stockend.
    Mir ging das Herz auf wie eine Blütenknospe beim ersten Sonnenstrahl im Frühling. Jakob liebte mich auch! Ein paar Sekunden schwebte ich auf einer rosagoldenen Wolke und hätte am liebsten getanzt, gejubelt und gesungen, alles gleichzeitig.
    »Ich glaube, ich habe mich schon in dich verliebt, als du bei Dorothea vor der Tür standest«, murmelte ich und wurde rot.
    Er lachte auf. »Du wolltest mich mit einem eisernen Bräter erschlagen, hast du das etwa vergessen?«, neckte er mich, aber sein zärtlicher Ton strafte den leisen Spott Lügen.
    Ich legte mich auf den Rücken und traute mich, meinen Kopf auf Jakobs Knie zu betten, so dass ich ihn von unten herauf ansehen

Weitere Kostenlose Bücher