Heike Eva Schmidt
hoben.
Ich grinste in mich hinein. In diesem Moment erreichten wir den Klosterberg, und Jakob fiel ein paar Schritte zurück. Offenbar musste er mal für kleine Mönche. Ich dachte gerade daran, wie oft ich diese steile Anhöhe inzwischen schon hinaufgestapft war, als sich mir eine hoch aufragende Gestalt in den Weg stellte und eine barsche Stimme bellte: »Halt!«
Ich zuckte heftig zusammen. Ein Soldat versperrte mir mit drohend erhobener Lanze den Weg. Ein zweiter löste sich aus einem Schatten und gesellte sich zu seinem Kumpan.
»Sieh da, ein Klosterbruder«, sagte er träge, und ein gemeines Lächeln entblößte seine schadhafte, gelbliche Zahnreihe. »Genau so einen suchen wir doch!«
Ich war starr vor Schreck. War meine Tarnung aufgeflogen?
»Seid Ihr Jakob Flock?«, fuhr mich der erste Soldat an und musterte mich aus zusammengekniffenen Augen.
»Nein …«, brachte ich heraus und hörte selbst, wie piepsig meine Stimme klang. Ich war zu Tode erschrocken. Was wollten die zwei von Jakob? Mein Herz pumpte wie ein Blasebalg. Sie durften ihn nicht kriegen, ich wollte ihn nicht verlieren! Weil er aber jede Sekunde auftauchen konnte, musste ich schnell handeln. Ich war bereit, alles auf eine Karte zu setzen, also holte ich tief Luft.
»Ich bin Bruder … äh … Conrad. Wer seid Ihr, und was wollt Ihr von meinem Mitbruder?«, kläffte ich so autoritär wie möglich. Was die konnten, konnte ich schon lange.
»Der Fuchs von Dornheim schickt uns. Das muss genügen, Bruder Naseweis«, raunzte mich der eine Soldat an.
Shit, dachte ich, die nassforsche Tour war genau die verkehrte gewesen. Also schaltete ich um und zuckte gespielt demütig die Achseln. »Nun, ich frage nur, weil Bruder Jakobus krank in seiner Zelle darniederliegt. Ich war gerade in der Stadt, um Hilfe für ihn zu holen. Aber kein Medicus« – ich hoffte, ich hatte den richtigen Ausdruck gewählt – »wagt es, mit mir zum Kloster zu kommen.« Ich neigte mich vertraulich zu dem Soldaten und raunte: »Sie haben Angst vor dem Schwarzen Tod …«
Ich machte eine Kunstpause und wartete, ob meine Worte die beabsichtigte Wirkung erzielten. Aus den Geschichtsbüchern wusste ich, dass die Menschen im Dreißigjährigen Krieg nichts mehr fürchteten als die Pest, genannt »der Schwarze Tod«, die in den Städten wütete.
Tatsächlich rissen beide Soldaten bei meinem letzten Satz die Augen auf und zuckten reflexartig zurück.
»Im Kloster … geht die Pest um?«, rief der eine, und deutliche Panik schwang in seiner Stimme mit.
»Gott wird uns auch diese Prüfung bestehen lassen«, seufzte ich theatralisch, um mich anschließend scheinheilig zu erkundigen: »Wollt Ihr nicht mitkommen und Euch vom Zustand meines Mitbruders überzeugen?«
Die zwei schüttelten wild die Köpfe. Die nackte Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben, und ich konnte es mir nicht verkneifen, noch eins draufzusetzen.
»Dann will ich euch segnen: ›Carpe diem cum vitello tonnato‹ …«, fing ich mit dramatischem Tremolo an, weil ich davon ausging, dass sie keine Silbe Latein verstanden. Salbungsvoll streckte ich meine Hände nach den Soldaten aus, doch die beiden wichen mit einem Aufschrei zurück, als hielte ich eine Giftschlange in den Fingern.
»Wag es nicht, mich anzurühren, Pfaffe«, schrie der eine angsterfüllt, während sein Kumpel bereits die Flucht ergriff. Nach einem letzten furchtsamen Blick drehte sich auch der erste Soldat um und rannte Hals über Kopf hinter seinem Mitstreiter her.
Ich stieß die Luft aus, die ich eine gefühlte Minute angehalten hatte. Nicht auszudenken, wenn sie Jakob erwischt hätten! Dass der Fuchs von Dornheim, der schlimmste Hexenbrenner der ganzen Gegend, seine Mannen nach ihm aussandte, konnte nur eines bedeuten: Er wollte ihn zu Dorothea ins Drudenverlies werfen. Vielleicht aus Bosheit, vielleicht aber auch, um einen unliebsamen Zeugen auszuschalten. Und nur einer konnte dafür verantwortlich sein: Förg.
Hinter mir hörte ich ein Rascheln. Die Soldaten!, dachte ich voller Panik. Sie hatten meine Lüge durchschaut und würden mich zur Strafe mit ihren Lanzen …
»Cat«, hörte ich eine vertraute Stimme flüstern, und eine schlanke Gestalt glitt aus der Dunkelheit auf mich zu.
»Jakob, Mann! Hast du mich erschreckt«, sagte ich. Erleichterung durchströmte mich wie warmer Kakao.
»Ich habe mich ins hohe Gras geworfen, als ich sah, dass dich die Soldaten aufhielten«, sagte er. »Gerade hatte ich einen starken Ast gefunden, um
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