Heike Eva Schmidt
enger zu werden. Inzwischen schnitt er regelrecht in die weiche Haut meines Halses, und erst jetzt, da der Schock über Förgs Tod nachließ, spürte ich, wie schwer mir das Atemholen fiel. Ich zerrte verzweifelt an dem Schmuckstück, doch genauso gut hätte ich versuchen können, mir einen meiner Füße abzuschrauben. Das Halsband lag wie festgewachsen um meine Kehle. Förg war tot, doch der Fluch wirkte bei mir, seiner Nachfahrin, fort. Immerhin war mit ihm nicht gleich seine ganze Nachkommenschaft vernichtet worden, sonst hätte ich ja ebenfalls auf der Stelle tot umfallen müssen. Doch wenn sich der Fluch als unlösbar erwies, ging es sowieso bald zu Ende mit mir. Der immer enger werdende Reif ließ keinen Zweifel daran, dass er mich langsam und qualvoll erdrosseln würde. Sollte dann alles umsonst gewesen sein? Hoffnungslosigkeit ergriff mich, so tief und zäh wie das Moor, das alles Leben festhält und in seinen ewigen Sumpf zieht. Ich wollte nicht sterben, ich wollte leben! Meine Eltern, mein Zuhause … würde ich all das nun nie mehr wiedersehen? Würde ich hier im 17. Jahrhundert meinen letzten Atemzug tun, und weder meine Mutter noch mein Vater würden je erfahren, was mit mir passiert war? Bei dieser Vorstellung brannte mein Herz, als hätte jemand einen glühenden Feuerhaken hineingedrückt.
Ich holte schluchzend Luft. In diesem Augenblick sehnte ich mich schrecklich nach Jakob. Wenn er nur schon hier wäre! Dann würde er mich in den Arm nehmen, ich könnte mein Gesicht an seiner Schulter verbergen und alles wäre gut. Weil aber auch Mönche nicht vom Himmel fielen, wartete ich ungeduldig, dass die beiden nun endlich eintrafen.
Ich hatte meinen Wunsch kaum zu Ende gedacht, als zwei flackernde Lichtpunkte am Eingang des Tors auftauchten. Daniel und Jakob!, dachte ich erleichtert. Doch noch ehe ich ihnen etwas zurufen konnte, erleuchteten zwei Fackeln ihre Gesichter: Spitzbärte, tiefliegende Augen und darüber zwei schwere Helme. Das waren nicht meine Helfer, sondern zwei Soldaten. Sie sahen mich an, dann wechselten sie einen Blick und zogen in stummem Einvernehmen ihre Waffen. Ihre Mienen verrieten grimmige Entschlossenheit, und ich wusste, was sie dachten: Nicht genug damit, dass ich unbefugt ins Castrum eingedrungen war – ich kniete auch direkt neben der Leiche des obersten Richters zu Bamberg.
Kapitel 16
A lle Gegenwehr half nichts. Die Soldaten verdrehten mir brutal die Arme und schleiften mich zum Tor des Castrums.
»Ich habe den Richter nicht umgebracht, ihr Vollspacken«, brüllte ich, als ich eine bekannte Stimme hörte.
»Haltet ein, was tut Ihr da?«
Zwei hochgewachsene Männer stellten sich uns in den Weg.
»Jakob!«, rief ich erleichtert. Endlich waren er und Daniel aufgetaucht! Meine Erleichterung war so groß, dass meine Beine nachgaben und ich wahrscheinlich wie ein nasser Turnbeutel auf den Boden geklatscht wäre, wenn mich die Soldaten nicht immer noch in ihrem schraubstockartigen Griff gehabt hätten.
»Daniel, hilf mir! Dein Vater ist von der Empore gestürzt, und jetzt denken die, ich war’s«, plapperte ich hastig.
Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über Daniels Gesicht. »Mein Vater ist – tot?«, murmelte er, und jetzt erkannte ich, was in seinem Blick lag. Es war keine Trauer, eher Erleichterung.
»Diese feuerhaarige Teufelin ist schuld. Wir verbringen sie ins Malefizhaus!«, spuckte einer der Soldaten aus und zerrte so grob an meinem Arm, dass ich vor Schmerz aufschrie.
»Aufhören«, donnerte Jakob und trat einen Schritt auf den Soldaten zu, doch der hielt ihm drohend die Spitze seines Kurzdolchs unter die Nase und knurrte: »Halt’s Maul, sonst ergeht’s dir nicht besser!«
Wenn wir beim »Tatort« wären, käme jetzt die Stelle, an der ich energisch verlangen würde, mit meinem Anwalt zu reden, schoss es mir unsinnigerweise durch den Kopf. Leider war die Rechtsprechung vor 300 Jahren eher einfach gestrickt. Der, der eine Waffe trug, hatte das Sagen. Und Punkt.
»Haltet ein. Dies ist ein Irrtum, der zu klären ist«, schaltete sich Daniel ein.
»Ich bin Daniel Förg, der Sohn des obersten Richters zu Bamberg. Wenn mein Vater tatsächlich zu Tode gekommen sein sollte, bin ich sein Nachfolger. Und als solcher verlange ich, dass die Umstände seines Todes zuerst restlos aufgeklärt werden, ehe man am Ende einen unschuldigen Menschen«, dabei streifte er mich mit seinem Blick und nickte mir aufmunternd zu, »verdächtigt oder gar verurteilt!«
Maximum
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