Heilerkrieg 03 - Krieg der Heiler
verrottendes Essen, oder vielleicht tote Tiere.
Aylin stolperte, und der Gestank wurde durchdringender. Gellend schrie sie auf und schüttelte ihren Fuß.
»Ah! Nehmt das weg, nehmt es weg!«
»Scht, was ...« Danello hielt inne. Ich folgte seinem Blick.
Ein Leichnam. So aufgedunsen, wie er war, war er wohl seit mehreren Tagen tot.
»Bleibt in Bewegung«, sagte ich und versuchte, nicht nach weiteren Leichen Ausschau zu halten. War es ein Soldat oder ein armer Mensch gewesen, der nur nach Hause wollte?
Orangefarbenes Fackellicht flackerte auf der Seite eines der Gebäude.
»Sind sie immer noch hinter uns her?«
»Ich habe nicht vor hierzubleiben, um es herauszufinden.«
In dieser Straße gab es keine mit Brettern vernagelten Gebäude, nur zerbrochene Fensterscheiben und eingeschlagene Türen. Unrat und Holz übersäten den Boden und verlangsamten uns. Weitere dunkle Schemen kauerten auf Treppen und Veranden, einige stanken, andere nicht. Wir hielten uns nicht damit auf herauszufinden, was – oder wer – sie sein mochten.
Danello wählte willkürlich Straßen, lief bald hierhin, bald dorthin, um so viele Richtungswechsel wie möglich zwischen uns und die Plünderer zu bringen. Aus dem Uhrturm ertönten zwei Glockenschläge, die kläglich wie Geheul über die dunkle Stadt hallten.
»Rein hier.« Danello huschte durch eine offene Tür. Ich konnte in dem Raum nicht viel erkennen, aber er mutete wie eine Art Geschäft an. Ladentische, Regale, mittlerweile alles kahl. Keuchend kauerten wir uns hinter einen Ladentisch. Tali starrte auf die blutige Klinge in ihrer Hand, drehte sie unablässig.
»Tali, gib mir das, ja?« Ich streckte die Hand aus, bereit, sie zurückzureißen, sollte Tali auf mich losgehen.
Sie heftete den Blick auf mich, dann wieder auf das Schwert und warf es zu Boden.
Ich atmete aus und zog es langsam aus ihrer Reichweite.
Von draußen trug uns die Brise leise Schreie zu. Nicht nah, allerdings auch nicht weit genug entfernt, um es schon wagen zu können weiterzugehen.
Aylin schluchzte und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihr gesamter Körper bebte.
»Es wird alles wieder gut«, sagte Soek mit sanfter Stimme.
Ihre Hände sanken. »Nein, wird es nicht«, herrschte sie ihn an. »Quenji ist tot . Er wurde gefressen . Wie soll das je wieder gut werden?«
»Gar nicht. Es tut mir leid.« Er wandte den Blick ab.
Niemand sprach. Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen oder auch nur empfinden sollte. Quenji war tot. Er war mitgekommen, um uns zu helfen, und nun war er tot.
»Wie, äh, weit ist es wohl noch bis zum Boot?«, fragte Danello, ohne jemanden anzusehen.
»Acht oder neun Häuserblöcke?« Ohne Licht und angesichts der Tatsache, dass alles in mir und rings um mich in Trümmern lag, war es schwierig, sich zu orientieren. »Wo sind wir jetzt? Sind irgendwelche Schilder oder so zu sehen?«
»Nicht von hier.«
Er stand auf und schlich zur Tür. »Ich versuche mal, herauszufinden, wo wir sind.«
Aylin schluchzte weiter. Ich hielt sie fest, streichelte ihr Haar. Mir ging ein Dutzend Dinge durch den Kopf, die ich sagen konnte, aber nichts davon würde ihr helfen.
Während Aylin weinte, beobachtete ich Tali. So hart das auch war, es fiel mir immer noch leichter, als an Quenji zu denken. Sie lehnte an der Wand und wischte die blutigen Hände am Boden ab. Im Augenblick deutete nichts an ihr darauf hin, dass sie zu dem in der Lage war zu tun, was sie vor Kurzem getan hatte.
Sie hatte wie Danello gekämpft, vielleicht sogar besser als er. Tali hatte sich so anmutig wie Aylin bewegt. Sie war so zierlich, dass die Plünderer wahrscheinlich gar nicht mitbekommen hatten, wie sie mit ihrer Waffe zwischen ihnen hin- und herhuschte, bis es zu spät war.
Was hatte der Herzog mit meiner Schwester gemacht? Sie hatte, ohne auch nur einen Gedanken darüber zu verlieren, dort draußen Männer getötet. Sie war einfach in Raserei verfallen, als hätte jemand wie bei einer Pynviumwaffe einen Auslöser betätigt.
»Warum musste er sterben?«, fragte Aylin. »Das ist nicht fair!« Sie vergrub den Kopf an meiner Schulter.
»Menschen sterben leicht«, sagte Tali leise.
Sie sprach! Ihre Worte jagten mir einen eisigen Schauder über den Rücken, aber sie hatte gesprochen.
»Tali? Weißt du, wo du bist?«, fragte ich.
Sie antwortete nicht, starrte nur auf das an ihren Händen klebende Blut. »Zu leicht«, flüsterte sie.
Mich schauderte. Meine Haut fühlte sich gleichzeitig heiß und kalt an. Es war
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