Heilerkrieg 03 - Krieg der Heiler
verrücktes Spielzeug.
»Tali! O ihr Heiligen, tut mir leid.«
Sie rieb sich die Schulter und sah mich finster an. Sie wirkte etwas mehr wie ihr altes Selbst. Doch der Moment verflog sofort wieder. Sie drehte sich um und schaute zu Aylin. »Hungrig«, sagte sie.
Ich lächelte. Dass sie nach etwas fragte, musste ein gutes Zeichen sein. Es mochte kein Lachen und kein richtiges Reden sein, aber es war ein Anfang.
»Hier drüben gibt es reichlich zu essen.« Aylin legte ein Brötchen vor einen Stuhl. »Kommt her und bedient euch, alle beide.«
Tali nahm sich das Brötchen, setzte sich aber nicht auf den Stuhl. Stattdessen ließ sie sich unter dem Fenster nieder, wo ihr der Sonnenschein den Nacken wärmte. Mir stieg ein Kloß in den Hals. Ich sah sie vor mir, wie sie vor nicht allzu langer Zeit auf ihrer Bettkante gesessen hatte, gekleidet in ihre Uniform eines Heilerlehrlings. Auch damals hatte ein Sonnenstrahl sie erfasst.
»Wo ist das Zauberbuch?«, fragte ich mit rasendem Herzen. Wenn wir es verloren hatten ...
Aylin klopfte auf etwas vor ihren Füßen. »Ich habe es hier, zusammen mit den Juwelen und den Pynviumstreifen. Und diesem unheimlichen Zylinder.« Sie schauderte. »Ich lasse nichts davon aus den Augen.«
»Danke.« Ich nahm am Tisch Platz und griff mir eine Hand voll Speck. »Irgendwelche Neuigkeiten über den Angriff?«
Sie schüttelte den Kopf. »Kaum. Niemand sonst hat versucht, die Brücken zu überqueren. Ipstans Leute kümmern sich seit gestern um die Leichen.«
»Gestern?«, murmelte ich an einem Mundvoll Speck vorbei. »Wie lange habe ich denn geschlafen?«
»Etwa zweiundzwanzig Stunden. Soek auch, obwohl ich glaube, dass er bei Sonnenaufgang aufgewacht ist.«
Ich schaute zum Fenster. Vormittagslicht, genau wie gestern, als die Angriffsglocken geläutet hatten. Ich hatte einen ganzen Tag verloren.
Eine Bö kam auf, und die Gesänge wurden für einen Moment lauter.
»Können wir Ipstan fragen, ob er uns ein Boot zum Festland auftreiben kann?«, wollte Aylin wissen. »Wenn wir vor Mittag abreisen, können wir es bestimmt nach Veilig schaffen, bevor Onderaan von dort aufbricht. Wir können es uns jetzt leisten, eine Kutsche zu mieten.«
Ich kaute bedächtig. Die Schwester in mir wollte gehen und Tali in Sicherheit bringen, wie ich es versprochen hatte. Aber die Tochter jener Eltern, die gekämpft hatten, um Geveg zu verteidigen ... sie wollte bleiben. Was immer ich gestern getan hatte, es hatte gewirkt. Ich hatte immer noch keine Ahnung, wie ich es angestellt hatte, aber es war eine bessere Verteidigung als vergiftete Speere.
»Onderaan ist vielleicht schon aufgebrochen. Wie lange ist es her, seit wir den Bauernhof verlassen haben – fünf Tage? Veilig liegt nur wenige Tage von dort entfernt. Vielleicht ist es besser, wenn wir vorerst hierbleiben.«
Aber du hast versprochen zu gehen.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, dass er noch nicht unterwegs ist. Es muss eine Weile gedauert haben, alle unterzubringen, und danach galt es zudem, Vorräte zu beschaffen.«
»Klingt sinnvoll.«
»Ipstan hat uns von jemandem saubere Kleider bringen lassen. Das war nett von ihm, findest du nicht?«
»Ja.«
Aylin ging zu einem Korb an der Tür und warf mir eine verblasste Hose und eine helle Bluse zu. Sie zog zwei weitere Garnituren heraus, die genauso aussahen.
»Hübsch«, sagte Tali. »So viele Blumen.«
Aylin und ich drehten uns dem Fenster zu. Tali lehnte am Sims, stützte das Kinn auf die Hand und starrte auf die Straße.
»Was für Blumen?« Ich eilte hinüber, wollte unbedingt sehen, was sie einen weiteren Schritt aus ihrer Abkapselung geholt hatte.
Aylin drängte sich neben mich. »Was ist?«
Wieder säumten Menschen die Straße, genau wie während Danellos Heilung. Einige trugen Kränze aus weißen Veilchen – ein Symbol der Heiligen Moed, das für Mut und Schutz stand. Andere hielten Kerzen, die in einem leichten Schauer flackerten. Der feine Niesel funkelte in der Sonne.
»Du hast doch gesagt, Danello geht es besser.«
»Tut es auch. Sie können nicht seinetwegen hier sein, er ist nicht in diesem Gebäude«, gab Aylin zurück. »Er ist bei seinem Da drüben auf der Mangroveninsel. Vielleicht machen sie sich deinetwegen Sorgen. Immerhin bist du vor einer Menge Leuten zusammengebrochen.«
»Dann sollten wir ihnen sagen, dass ich am Leben bin und es mir gutgeht.« Nicht, dass ich hinausgehen wollte. Das wäre schlimmer als bei den Menschen in der vergangenen Nacht.
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