Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
Kusanagi flehend an, und er blickte verwirrt zurück. Wie konnte sie die Frau, die mit ihrem Mann geschlafen hatte, verteidigen?
»Ich verstehe vollkommen, was Sie mir sagen wollen. Allerdings kann ich nicht nur nach Gefühlen urteilen. Wir müssen uns auf nachprüfbare und objektive Beweise stützen.«
»Objektive Beweise? Haben Sie denn Beweise, dass Hiromi meinen Mann getötet hat?« Ayanes Augen blickten streng.
Kusanagi seufzte und überlegte schweigend. Er kam zu dem Schluss, dass es die laufenden Ermittlungen nicht behindern würde, wenn er ihr die Verdachtsmomente gegen Hiromi Wakayama darlegte. Er sagte ihr, dass die Polizei Gift in ihrem Wasserkessel gefunden und ihr Mann am Tag des Mordes außer ihr keine Besucher gehabt habe.
»Im Kessel … Und was soll das besagen?«
»Es ist kein eindeutiger Beweis. Aber Frau Wakayama hatte immerhin die Möglichkeit, das Gift hineinzutun.«
»Aber …« Ayane brach ab, da ihr offenbar die Worte fehlten.
»Verzeihen Sie, aber ich bin in Eile.« Kusanagi verbeugte sich und verließ die Wohnung.
Sobald sie mit Hiromi Wakayama im Präsidium eintrafen, begann Mamiya mit der Befragung. Diese hätte normalerweise auf dem Revier in Meguro stattgefunden, aber Mamiya schien mit einem Geständnis zu rechnen.
Während Kusanagi noch auf das Ergebnis der Befragung wartete, traf Utsumi ein, die als Erstes sagte, dass Hiromi Wakayama nicht die Täterin sein könne. Unwillig lauschte Kusanagi ihrer Argumentation. Nicht weil es sich nicht gelohnt hätte, ihr zuzuhören. Ganz im Gegenteil. Die These, dass Hiromi nach dem Auffinden der Leiche das Gift ganz bestimmt nicht im Kessel belassen hätte, klang ziemlich überzeugend.
»Aber wer war es dann? Und sagen Sie nicht Ayane Mashiba. Das ist unmöglich.«
»Ich weiß nicht, wer. Ich kann nur sagen, dass jemand, nachdem Hiromi Wakayama am Sonntagmorgen gegangen war, ins Haus gelangt sein muss.«
Kusanagi schüttelte den Kopf. »Diesen Jemand gibt es nicht. Yoshitaka Mashiba war den ganzen Tag allein.«
»Vielleicht haben wir es nur noch nicht herausgefunden. Jedenfalls ist es sinnlos, Hiromi Wakayama zu verhören.«
Bei ihrem ungewöhnlich scharfen Ton geriet Kusanagi einen Augenblick ins Wanken. In diesem Moment klingelte sein Handy. Erleichtert blickte er auf das Display. Es war Ayane Mashiba.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie bei der Arbeit störe, aber ich muss Ihnen unbedingt etwas sagen.«
»Worum handelt es sich?« Kusanagi fasste sein Telefon fester.
»Sie haben zwar Gift im Kessel gefunden, aber das heißt nicht, dass jemand es hineingetan hat.«
Kusanagi vermutete, sie wollte ihn mit diesem Anruf nur dazu bringen, Hiromi Wakayama rasch zu entlassen. »Wie das?«
»Vielleicht hätte ich Ihnen das schon viel früher erzählen sollen, aber mein Mann achtete sehr auf seine Gesundheit und trank nie Wasser aus dem Hahn. Selbst zum Kochen musste ich immer gefiltertes Wasser verwenden. Und zum Kaffeekochen Mineralwasser. Also hat er das bestimmt auch getan, als er sich selbst Kaffee machte.«
Es war klar, was sie sagen wollte. »Sie meinen, jemand könnte das Mineralwasser vergiftet haben.«
Utsumi, die neben ihm stand, hob eine Augenbraue.
»Das wäre doch vorstellbar. Weil es so gar keinen Sinn ergibt, Hiromi zu verdächtigen. Sollte das Gift aber in einer Mineralwasserflasche gewesen sein, hätten auch andere Gelegenheit gehabt, es hineinzumischen.«
»Das mag sein …«
»Ich, zum Beispiel«, fügte Ayane Mashiba hinzu.
Kapitel 11
Es war kurz nach acht Uhr abends, als Utsumi das Präsidium verließ, um Hiromi Wakayama nach Hause zu fahren. Hiromi war ungefähr zwei Stunden im Verhörzimmer gewesen. Die Befragung war erheblich kürzer ausgefallen, als Mamiya geplant hatte. Bedingt war dieses vorzeitige Ende vor allem durch Ayanes Anruf und ihre Aussage, dass ihr Mann seinen Kaffee stets mit Mineralwasser zubereiten ließ. Wenn das stimmte, war Hiromi Wakayama nicht mehr die Einzige, die ihn vergiftet haben konnte. Das Gift konnte dem Wasser jederzeit zugefügt worden sein.
Resigniert hatte der Dezernatsleiter Utsumis Vorschlag zugestimmt, Hiromi, die nur immer wieder weinend ihre Unschuld beteuerte, vorläufig zu entlassen.
Nun saß sie schweigend auf dem Beifahrersitz. Utsumi vermutete, dass sie völlig erschöpft war. Sogar gestandene Männer brachen manchmal unter dem unerbittlichen Druck solcher Verhöre zusammen. Es würde eine Weile dauern, bis Hiromi nicht mehr ständig in Tränen ausbrach. Utsumi
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