Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
Kollegin hat mir folgende Frage gestellt: Ist es möglich, Gift in das Getränk einer bestimmten Person zu mischen, ohne an Ort und Stelle zu sein und ohne Spuren zu hinterlassen? Das ist selbst für einen Physiker ein schwieriges Problem.« Yukawa zuckte die Achseln.
»Ohne an Ort und Stelle zu sein?« Kusanagi sah Utsumi ärgerlich an. »Sie verdächtigen also noch immer die Ehefrau.«
»Ich verdächtige ja nicht nur sie. Ich wollte nur überprüfen, ob es wirklich ausgeschlossen ist, dass eine Person, die für Samstag und Sonntag ein Alibi hat, das Verbrechen begangen hat.«
»Ist das nicht das Gleiche? Sie haben Frau Mashiba im Visier.« Kusanagi wandte sich wieder Yukawa zu. »Und du, weshalb kriechst du unter der Spüle herum?«
»Frau Utsumi zufolge hat man an drei Stellen Spuren von dem fraglichen Gift gefunden.« Yukawa hob drei behandschuhteFinger. »Erstens in dem Kaffee, den das Opfer getrunken hat, zweitens im Kaffeesatz in dem Filter. Und drittens in dem Kessel, in dem das Wasser dafür erhitzt wurde. Aber was danach geschah, weiß ich nicht. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wurde das Gift direkt in den Kessel gegeben, oder es war bereits im Wasser. Wenn es im Wasser war, in welchem Wasser? Auch hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder im Mineralwasser oder im Leitungswasser.«
»Im Leitungswasser? Soll das heißen, es war im Rohr?« Kusanagi schnaubte.
Yukawa fuhr mit ungerührter Miene fort.
»Zwar hat die Kriminaltechnik weder an der Wasserleitung noch an dem Filtersystem etwas Ungewöhnliches festgestellt, aber es geht doch nichts über den eigenen Augenschein. Deshalb habe ich unter dem Waschbecken nachgesehen. Falls jemand etwas an der Wasserleitung manipuliert hat, kann es nur dort geschehen sein.«
»Und? Hast du etwas entdeckt?«
Yukawa schüttelte bedächtig den Kopf. »Weder die Leitung noch das Rohr am Filter oder der Filter selbst weisen Spuren einer Manipulation auf. Vielleicht sollte man das Ganze auseinandernehmen und untersuchen, aber wahrscheinlich würde nichts dabei herauskommen. Wenn also das Gift im Wasser war, schließe ich, dass das Wasser aus einer Flasche stammte.«
»Wir haben in keiner der Plastikflaschen Gift gefunden.«
»Der Bericht von dem unabhängigen Labor ist aber noch nicht da«, sagte Utsumi.
»Was soll da schon herauskommen? Unsere Kriminaltechniker sind ja nicht unfähig.« Kusanagi stemmte die Fäuste in die Hüften. Er sah Yukawa an. »Das ist jetzt also dein Untersuchungsergebnis?Ziemlich dürftig, wenn man bedenkt, dass du eigens dafür angereist bist.«
»So viel zum Wasser. Kommen wir jetzt zum Kessel. Wie ich bereits sagte, besteht auch die Möglichkeit, dass das Gift direkt in den Kessel gegeben wurde.«
»Am Sonntagmorgen kann noch nichts im Kessel gewesen sein. Vorausgesetzt, wir schenken der Aussage von Hiromi Wakayama Glauben.«
Ohne zu antworten, griff Yukawa nach einem Kessel, der neben der Spüle stand.
»Was ist das?«, fragte Kusanagi.
»Ein Kessel wie der, der in eurem Fall benutzt wurde. Frau Utsumi hat ihn für mich besorgt.« Yukawa drehte den Wasserhahn auf und füllte warmes Wasser in den Kessel. Dann goss er es wieder im Waschbecken aus. »Ein ganz gewöhnlicher Kessel, ohne Trick und doppelten Boden.«
Nun füllte er den Kessel nochmals mit Wasser und stellte ihn auf den Herd.
»Was hast du vor?«
»Schau zu und lerne.« Yukawa lehnte sich wieder gegen die Spüle. »Du vermutest also, dass der Täter oder die Täterin am Sonntag ins Haus gekommen ist und den Kessel vergiftet hat?«
»Das ist nicht meine einzige Vermutung.«
»In diesem Fall hätte der Täter sich für eine äußerst riskante Methode entschieden. Gehen wir davon aus, Herr Mashiba sei kurz rausgegangen, und er oder sie habe sich ins Haus geschlichen?«
»Wenig wahrscheinlich. Meine Hypothese ist, dass es sich um jemanden handelte, dessen Besuch Herr Mashiba geheim halten wollte.«
»Ich verstehe. Eine Person, von der niemand wissen sollte.« Yukawa nickte und sah dabei Utsumi an. »Ihr Vorgesetzter ist noch bei Verstand. Sie können beruhigt sein.«
»Was soll das heißen?« Kusanagi sah von einem zum anderen.
»Keine tiefere Bedeutung. Ich will damit nur sagen, dass so ein Meinungsaustausch keine schlechte Sache ist, solange man vernünftig bleibt«, sagte Yukawa.
Kusanagi warf ihm einen erbosten Blick zu, aber sein Freund grinste ungerührt.
Kurz darauf begann das Wasser im Kessel zu kochen. Yukawa drehte das Gas ab, hob den Deckel und
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