Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
auswirken. Ayane will wohl nicht ins Haus zurück, bis alles vollständig geklärt ist. Das ist ja verständlich. Mir wäre das auch unheimlich.«
»Ja, wirklich.« Hiromi nickte unverbindlich.
»Hallo, ihr beiden«, ertönte eine Stimme. Tatsuhiko Ikainäherte sich. »Im Nebenzimmer gibt es etwas zu essen und zu trinken.«
»Kommen Sie, Hiromi, wir gehen rüber«, sagte Yukiko.
»Nein, danke, ich möchte nichts.«
»Warum nicht? Sie warten doch sicher auf Ayane. Es sind so viele Leute, deshalb dauert es sicher noch eine Weile.«
»Nein, ich werde mich für heute verabschieden.«
»Aha, ich verstehe, aber können Sie nicht doch noch einen Moment bleiben? Und mich begleiten?«
»Jetzt lass sie doch.« Tatsuhiko runzelte die Stirn. »Sei nicht so hartnäckig. Manche Leute haben noch etwas anderes zu tun.«
Seine Worte lösten Bestürzung in Hiromi aus. Tatsuhiko maß sie mit einem kalten Blick.
»Also, ich mache mich dann auf den Weg.« Hiromi verbeugte sich vor dem Ehepaar Ikai und verließ mit gesenktem Blick die Halle.
Zweifellos wusste Tatsuhiko Ikai von ihrem Verhältnis mit Yoshitaka und verachtete sie. Dass Ayane ihm davon erzählt hatte, konnte sie sich nicht vorstellen. Wahrscheinlich hatte er es von der Polizei. Yukiko schien jedoch nichts zu wissen.
Was sollte sie nur tun? Der Gedanke, dass früher oder später alle von ihrem Verhältnis mit Yoshitaka erfahren würden, erschreckte sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ayane ihr wirklich verzeihen konnte. Ihr letzter Blick hatte sich ihr ins Gedächtnis gebrannt. Sie bereute nun, dass sie beim Ablegen der Blumen die Hand vor den Mund geschlagen hatte.
Hätte Hiromi lediglich eine Affäre mit ihrem verstorbenen Mann gehabt, hätte Ayane vielleicht darüber hinweggesehen, aber eine Schwangerschaft war etwas völlig anderes.
Vermutlich hatte sie von Anfang an etwas geargwöhnt.Aber zwischen Verdacht und Wissen bestand ein großer Unterschied. Seit Hiromi vor ein paar Tagen ihre Schwangerschaft vor dieser Polizistin Utsumi zugegeben hatte, hatte Ayane sie kein einziges Mal mehr erwähnt. Natürlich konnte Hiromi das Thema nicht von sich aus anschneiden. Daher hatte sie nicht die geringste Ahnung, was Ayane dachte.
Ihr war klar, dass sie die Schwangerschaft abbrechen sollte. Sie traute es sich nicht zu, ein Kind unter diesen Umständen aufzuziehen. Sein Vater war bereits tot. Hiromi selbst musste fürchten, ihre Arbeit zu verlieren. Falls sie das Kind bekam, konnte sie nicht damit rechnen, dass Ayane sie weiter beschäftigte. Sie hatte keine andere Wahl. Dennoch konnte Hiromi sich nicht zu dieser Entscheidung durchringen. Viel Zeit blieb ihr jedenfalls nicht mehr. In spätestens zwei Wochen musste sie sich entschieden haben.
Als sie vor der Trauerhalle nach einem Taxi Ausschau hielt, rief jemand ihren Namen. Niedergeschlagen sah sie Kommissar Kusanagi auf sich zu eilen.
»Ich habe Sie gesucht. Fahren Sie schon nach Hause?«
»Ja, ich bin etwas erschöpft.«
Vermutlich wusste der Kommissar von ihrer Schwangerschaft.
»Ich weiß, Sie müssen sich schonen. Aber dürfte ich Ihnen noch eine Frage stellen? Es dauert wirklich nicht lange.«
Hiromi bemühte sich, ihren Unwillen nicht zu zeigen. »Jetzt gleich?«
»Ja, bitte, wenn es geht.«
»Müssen wir dazu aufs Revier fahren?«
»Nein, ein ruhiges Plätzchen genügt.« Ohne Hiromis Antwort abzuwarten, winkte er ein Taxi heran.
Er nannte dem Fahrer ein Lokal ganz in der Nähe vonHiromis Wohnung. Sie setzten sich an einen der hinteren Tische. Hiromi bestellte ein Glas Milch, denn Kaffee und Tee musste man sich selbst holen. Aus dem gleichen Grund nahm Kusanagi einen Kakao.
»Inzwischen darf ja in solchen Lokalen nicht mehr geraucht werden. Für Menschen in Ihrem Zustand ist diese Regelung sehr vorteilhaft«, sagte Kusanagi und lächelte liebenswürdig.
»Worüber wollten Sie mit mir sprechen?«, fragte sie mit gesenktem Blick.
»Tut mir leid, dass ich Ihnen das jetzt zumute. Ich versuche mich kurz zu fassen.« Kusanagi beugte sich vor. »Ich würde gern etwas über Herrn Mashibas Frauenbekanntschaften wissen.«
Hiromi hob unwillkürlich den Kopf. »Wie meinen Sie das?«
»Wie ich es gesagt habe. Hatte Herr Mashiba außer Ihnen noch andere Bekanntschaften mit Frauen?«
Hiromi richtete sich auf und blinzelte. Sie war leicht verwirrt. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. »Warum fragen Sie mich das?«
»Ich möchte nur, dass Sie einmal darüber nachdenken.«
»Ich verstehe Sie
Weitere Kostenlose Bücher