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Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Titel: Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan;Weiss Bonner
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glauben, bis er später feststellte, dass er Agnostiker ist, es also immerhin für möglich hält, dass es ein höheres Wesen gibt.
    »Wer in Glaubensfragen den Verstand befragt, kriegt unchristliche Antworten.«
    Wilhelm Busch
    »Die Kirche lebt praktisch davon, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Leben-Jesu-Forschung in ihr nicht publik sind«, schrieb der bekannte Neutestamentler Hans Conzelmann schon Ende der fünfziger Jahre. Das gilt bis heute, und das Resultat ist, dass Menschen, die zunächst gerne an Gott geglaubt haben, sich abwenden, sobald sie sich eine Weile mit ihm beschäftigt haben. Der ehemalige evangelische Pfarrer Mario Buletta aus Hamburg trat von alleine aus der Kirche aus, weil er nicht mehr glauben konnte: »Ich bringe es für mich immer so auf die Formulierung: Ob es einen Gott gibt, kann ich nicht sagen, ob es einen Gott nicht gibt, kann ich nicht sagen«, meint er. »Die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, stellt sich für mich nicht mehr. Mir sind andere Sachen wichtig geworden.«
    Selbst mancher Theologiestudent steuert angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse mitten in eine Sinnkrise hinein: Gero L. war eigentlich ein sehr gläubiger Mensch. »Die biblische Geschichte und der Glaube an Gott wurden mir die gesamte Kindheit hindurch anerzogen«, sagt er. Deshalb wollte er auch Religionslehrer werden und begann in Bonn mit dem Theologiestudium. »Als ich dann erkannte, wie viel von der Religion auf der menschlichen Fantasie beruht, ließ ich immer mehr von meinem Glauben ab.«, erinnert er sich. »Vielen meiner Mitstudenten ging es ähnlich, die haben aber trotzdem weitergemacht.« Gero schmiss das Studium und arbeitete danach als Übersetzer von Science-Fiction-Romanen – was ihn darin bestärkte, dass es irgendwo in den Weiten der Galaxie etwas Gottähnliches geben mag, allerdings mit Sicherheit ganz anders, als es sich die Menschen ausgedacht haben.
    Auch die Gottesfantasie der Profis stimmt nicht immer unbedingt mit der offiziellen Produktbeschreibung ihrer Firma überein. Pastoren wie Klaas Hendrikse im niederländischen Middelburg äußern sich offen dazu, was sie alles nicht mehr glauben können. »Gott ist der Name für eine Erfahrung«, sagt er, für einen protestantischen Pfarrer mithin eine recht ungewöhnliche Erkenntnis, sollte man meinen. Hendrikse sorgte 2007 für Wirbel, weil er ein Buch mit dem Titel Glauben an einen Gott, den es nicht gibt veröffentlichte. Unglaublich: Er wurde nicht exkommuniziert.
    Aber es muss doch noch Pfarrer geben, die ihre Kirche würdig vertreten? Wir sind während der wm -Saison zum gemütlichen Grillabend bei den Pfarrern Dickmann und Andresen eingeladen, die in Niedersachsen wirken und lieber nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden wollen. Als wir das Gartentörchen hinter dem Pfarrhaus öffnen und eintreten, läuft die Party schon, das verraten die Duftschwaden von Bratwürstchen und Steaks, die uns entgegenwehen. Auf dem Rasen ist eine große Leinwand aufgebaut, auf der sich die versammelte Gemeinde das Fußballländerspiel ansieht. Pfarrer Dickmann spielt Grillmaster und wendet die Würstchen.
    »Haben Sie die auch vorher gesegnet?«, fragen wir spaßeshalber.
    »Nein«, meint er. »Die waren in einer Pre-prayed-Packung, die sind schon vorgesegnet.«
    Wir nehmen Platz, und sein Kollege Andresen, ein gemütlicher Typ mit Stirnglatze und Backenbart, gesellt sich zu uns. Beim Genuss von griechisch-orthodoxem Salat und deutschen Würstchen wollen wir wissen, wie man trotz der vielen Zweifel an der Bibel heute an Gott glauben kann.
    »Um die Bibel und ihre Entstehung zu verstehen«, sagt Pfarrer Andresen, »braucht man einen enormen historischen Hintergrund. Die meisten Leute wissen heute noch nicht einmal, was vor zweihundert Jahren geschehen ist. Wie sollen sie da einen Text einordnen, der zweitausend Jahre alt ist?«
    »Man muss deshalb zu seinem Erwachsenenglauben finden und sich gedanklich von den Bibelgeschichten wegbewegen«, schaltet sich Pfarrer Dickmann ein. »Man kann das ja alles nicht wörtlich nehmen.« Ob Jesus nun wirklich Gottes Sohn gewesen sei und Wunder gewirkt habe, sei im Grunde gar nicht so entscheidend.
    »Er hat gelebt, und es sind seine Taten, die bis heute nachhallen und uns inspirieren«, erklärt Pfarrer Andresen und nippt an seinem Bier. »Ob er wirklich von den Toten auferstanden ist, wer weiß das schon ... Unter uns gesagt, ich glaube da selbst nicht so wirklich dran.« Natürlich kann er

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