Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
Bio-Leistungskurs-Schüler die Evolution ablehnten, unter den vormals Grundkurs-Schülern waren es sogar siebzehn Prozent. Selbst so mancher herkömmliche Traditionschrist ist von der kreationistischen Idee nicht so weit entfernt: Papst Benedikt XVI. vertritt seit langem den Standpunkt einer »theistischen Evolution« und machte in der Ostermesse 2011 zum wiederholten Male die klare Ansage, dass der Mensch ein Produkt Gottes sei. »Es ist nicht so, dass in dem sich ausdehnenden Universum am Ende in irgendeinem kleinen Winkel des Alls zufällig auch eine Art von Lebewesen entstand, die denken kann und versuchen kann, Vernunft in der Schöpfung zu finden oder in sie hineinzubringen. Wäre der Mensch nur ein solches Zufallsprodukt der Evolution irgendwo am Rand des Alls, dann wäre sein Leben sinnlos oder gar eine Störung der Natur.« Und Erzbischof Christoph Schönborn im Wiener Stephansdom will zwar mit den Fundamentalisten nichts zu tun haben, doch in seinem Buch Ziel oder Zufall? Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines vernünftigen Glaubens mixt er munter christliche und darwinistische Theorien, damit Gott als Ursprung des Lebens nicht unterschlagen wird. In einem Artikel in der New York Times sprach er sich darüber hinaus gegen die Evolutionslehre aus und vertrat die These, der Natur liege der schlaue Plan eines allmächtigen Schöpfers zugrunde.
Mangelnde Cleverness kann man den Kreationisten jedenfalls nicht vorwerfen: Sie verkaufen ein Glaubensmodell als mögliche Wissenschaftsrichtung. In einem Schulbuch verpackt, erreicht sie jenes Glied in der Kette, das sich am leichtesten beeinflussen lässt: Kinder und Jugendliche als potenzieller Nachwuchs, möglichst unkritisch und bibeltreu, wenn es nach den Kreationisten ginge.
Im Grunde ist es sogar konsequent, die Bibel wörtlich auszulegen und auch beim logischen Zickzackkurs nicht aus der Bahn zu springen. Denn damit folgt man einem alten Glaubenssatz: Credo, quia absurdum est , ich glaube, weil es unvernünftig ist, lautet eine Standardweisheit der Theologie. Tatsächlich wird man angesichts vieler Unsinnigkeiten und diffuser Faktenlage selbst nach lebenslangem Studium nicht herausfinden, was man der Bibel glauben darf und was nicht, geschweige denn, dass man als Laie auch nur ansatzweise das Wirrwarr der Bibelforschung durchschaut. Es bleibt einem daher keine andere Wahl, als an alle absurden Widersprüche und undurchschaubaren Mysterien unkritisch einen Haken zu machen, wenn man weiterhin glauben möchte.
»Glauben ist leichter als Denken.«
Sprichwort
Ob die Feindaten der Heiligen Schrift stimmen, ist gläubigen Menschen vielfach egal. Sie haben trotzdem einen Verwendungszweck für Gottes Wort: als Ratgeber in allen Lebenslagen. »Die Bibel ist eine Gebrauchsanleitung fürs Leben«, sagt der kirchennahe Journalist Peter Hahne. »Wer die Bibel liest, steht auf gutem Grund. Auf dem Boden der Tatsachen und einer Basis, die gerade in Krisen trägt.« Tatsächlich? Wie zeitgemäß erscheinen Ihnen die folgenden Zitate aus der heiligen Schrift?
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Die fabelhafte Welt des Alten Testaments
Sechs flotte Tipps aus dem Buch der Bücher
In deinem Gepäck sollst du eine Schaufel haben, und wenn du dich draußen hinhocken willst, dann grab damit ein Loch und nachher deck deine Notdurft wieder zu! (5. Mose 23,13)
Wenn du in den Weinberg eines andern kommst, darfst du so viel Trauben essen, wie du magst, bis du satt bist, nur darfst du nichts in ein Gefäß tun. (5. Mose 23,25)
Du sollst nicht untätig zusehen, wie ein Stier oder Lamm deines Bruders sich verläuft. (5. Mose 22,1)
Wenn du ein neues Haus baust, sollst du um die Dachterrasse eine Brüstung ziehen. Du sollst nicht dadurch, dass jemand herunterfällt, Blutschuld auf dein Haus legen. (5. Mose 22,8)
Eine Frau nimmt jeden beliebigen Mann, doch die eine Frau ist schöner als die andere. (Sir 36, 26)
Wer gegen seinen Schöpfer sündigt, muss die Hilfe des Arztes in Anspruch nehmen. (Sir 38,15)
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D ie betagten Ratschläge und viele Irrtümer aus der Bibel zeigen: Bedient man sich seines Verstandes, fällt das himmlische Kartenhaus schnell in sich zusammen, selbst wenn man eigentlich ein streng gläubiger Mensch ist. So verlor Christian Nürnberger, einst Capital-Redakteur, nunmehr prominenter Hausmann von Petra Gerster und Autor von Jesus für Zweifler und Die Bibel. Was man wirklich wissen muss , seinen Kinderglauben beim Theologiestudium, brach ab und beschloss, erst mal an gar nichts zu
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