Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
das sonntags nicht von der Kanzel predigen, das gibt er selber zu.
»Oh Gott!«, raunt es plötzlich durch die Menge, als Mario Gómez aus zwei Metern Entfernung das leere Tor mal wieder nicht trifft.
»Lenkt Gott denn wirklich unsere Geschicke?«, fragen wir eingedenk des Torversagers.
»Ganz ehrlich?« Pfarrer Dickmann macht eine kleine Kunstpause. »Nein, das glaube ich nicht. Gott ist eher eine transzendente Macht und keine Person, die direkt Einfluss nimmt. Aber er ist der Ursprung von allem, der Grund, warum das Universum und die Erde existieren.«
»Ihre ganze Kirche basiert aber auf der Überzeugung, dass Gott unser Leben beeinflusst«, sagen wir. »Sonst brauchen wir ihn doch gar nicht mehr anzubeten.«
»Richtig. Deshalb kann ich das in meiner Kirche auch nicht erzählen. Dann laufen ja auch noch die Letzten weg.«
Die Leute wollen einfache Botschaften, an die sie glauben können, so das Fazit der Pfarrer. Das ist sicherlich auch der Grund, warum die beiden Kirchen trotz aller Zweifel an der Bibel als Fundament für ihr Geschäftsmodell festhalten. Im Katechismus der katholischen Kirche heißt es: »Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden die eine der Kirche anvertraute heilige Hinterlassenschaft des Wortes Gottes. Darin betrachtet die pilgernde Kirche wie in einem Spiegel Gott, den Quell all ihrer Reichtümer.« Was bleibt denn noch, wenn man davon ablässt? Auch in der evangelischen Kirche verspricht man im Glaubensbekenntnis, dass man genau jene Geschichte für wahr hält, die in der Bibel geschrieben steht – und nicht irgendeine Readers-Digest-Version. »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria«, heißt es da, »... gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel« und so weiter und so fort. Es ist nicht missverständlich, es ist keine Allegorie. Wer das ausspricht, sollte sich Gedanken darüber machen, ob er das wirklich glauben kann.
Wer daran zweifelt, müsste sich streng genommen vom kirchlichen Glauben abwenden. Dann wären unsere Kirchen vermutlich noch leerer, als sie es ohnehin schon sind – und auch der ein oder andere Platz auf der Kanzel wäre nicht mehr besetzt.
»Der Atheismus ist ein Zeichen, dass man die Religion ernst nimmt.«
Karl Popper
Seien Sie unbesorgt. Es gibt sicher noch ein paar gute Gründe, warum wir als Gesellschaft an einer Organisation festhalten, an deren Glaubensbekenntnis wir nur noch bruchstückhaft glauben.
Immerhin gilt die Kirche als moralische Instanz in einer vom Turbokapitalismus getriebenen Gesellschaft. Sie ist in ethischen Fragen ein Fels in der Brandung. Und ohne ihr christliches Wirken würde der Sozialstaat wahrscheinlich zusammenbrechen und alte Werte würden koppheister gehen. Das sind gute Gründe, die sogar viele Gottlose blind unterschreiben würden. Auch Menschen, die Gott für eine überholte Idee halten, bleiben deshalb trotzdem in der Kirche, in der Gewissheit, sie würden so nebenbei etwas Gutes tun. Aber stimmt das wirklich?
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DAS IMPERIUM
TRITT ZURÜCK
Wären wir ohne Kirche
besser dran?
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D ie Brüste der jungen Dame könnten etwas schärfer zu sehen sein. Da ist Lasse von den hd -Pornos im Internet eindeutig Besseres gewohnt. Die Sünderin hat er sich nur besorgt, weil sein Großvater ihm erzählt hat, welchen Aufruhr der Streifen bei seinem Erscheinen wegen zweier Nacktszenen ausgelöst hatte. Was daran so schlimm sein soll, versteht Lasse allerdings nicht – da gibt es heute auf manchem Werbeplakat mehr zu sehen.
Für die Premierengäste, die sich am 18. Januar 1951 im Frankfurter Turmpalastkino versammelt hatten, war der Anblick, der sich ihnen da auf der Leinwand bot, hingegen allerhand: Hildegard Knef räkelt sich auf der Wiese, während ihr Freund ein Aktporträt von ihr malt. Für einen kurzen Moment ist sie nackt zu sehen, und das eher von der Seite, mit schamhaft aufgestelltem Bein. Später wird der Maler sie zum Nacktplantschen in den See schmeißen, aber auch dabei gibt es aus heutiger Sicht nur wenig Anstößiges zu sehen. Es genügte aber schon, um Die Sünderin zu einem der größten Filmskandale der deutschen Geschichte werden zu lassen.
Es geht in dem Streifen um ein ehemaliges Freudenmädchen, das
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