Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
hier. Die Stelle hat er fast sofort nach seiner Ordinierung bekommen.« Geoffrey spürte eine bewußte Zurückhaltung hinter der sachlichen Aufzählung von Fakten und fragte sich, was der Grund dafür sein mochte. »Die Hälfte des Jahres kauft er teure Bücher und teuren Wein und spielt den curé bon viveur , und die andere Hälfte muß er sparen und spielt den Hungerleider. Ein ziemliches Auf und Ab.« Frances lachte entschuldigend. »Das sagt Ihnen nicht viel, fürchte ich. Aber Sie werden ihn ja kennenlernen.«
Fielding kam herein, und Frances ging, um die letzten Vorbereitungen für das Abendessen zu beaufsichtigen. »Scheußliches kleines Zimmer, das ich da habe«, sagte Fielding traurig, als er sich in einen Sessel fallen ließ, »aber es wird schon gehen. Wie fühlen Sie sich?«
»Ein bißchen wie in einem Alptraum.«
»Das ist es irgendwie auch. Wissen Sie, ich frage mich, ob diese Angriffe auf Sie nicht von vorne bis hinten Schwindel waren – um den Grund für etwas anderes zu verschleiern. Vermutlich den Angriff auf Brooks. Diese ganzen lächerlichen Warnungen! Das mußte Sie ja ins Rampenlicht bringen – und genau darum ging es. Ich vermute, denen war es egal, ob Sie getötet oder bloß verletzt wurden. Wer immer die sind und was immer die im Schilde führen, sie können es sich offenbar leisten, Menschenleben wie Wasser zu vergeuden.«
Geoffrey zündete sich eine Zigarette an und nahm einen Zug, ohne ihn zu genießen. »Das klingt plausibel, aber es könnte noch andere Erklärungen geben.«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, sagte Fielding mit Nachdruck, »und zwar, indem wir Stillschweigen darüber bewahren. Wenn wir herumerzählen, daß wir sie durchschaut haben, lassen sie die ganze Sache fallen. Aber wenn sie glauben, daß die Leute drauf reinfallen, versuchen sie vielleicht noch etwas anderes – zum Beispiel Sie erneut umzubringen.«
Geoffrey setzte sich verärgert auf. »Wirklich nett von Ihnen«, stieß er bitter hervor, »mich zu bitten, über eine scheußliche Theorie Stillschweigen zu bewahren, damit irgendwelche Leute sich ermutigt fühlen, mich zu ermorden. Übrigens befinden sich diese Leute zweifellos hier . Der Brief war in Tolnbridge abgestempelt, und nur jemand, der mit der Kathedrale zu tun hat, konnte wissen, daß man mich herbestellt hatte …«
Er brach ab. Draußen näherten sich Schritte, begleitet von zwei im Streitgespräch erhobenen Stimmen, die eine schrill und wortreich, die andere tief und lakonisch. Zwischen den Tropen höflicher Diskussion war eine Spur Schärfe und Unmut herauszuhören.
»… Aber mein lieber Spitshuker, augenscheinlich begreifen Sie nicht, daß Sie, indem Sie den Universalismus vertreten, in Wahrheit die Realität negieren, daß der Mensch frei zwischen Gut und Böse entscheiden kann. Wenn wir alle ohnehin in den Himmel kommen, dann hat diese Entscheidung keinerlei Gültigkeit. Das ist so, als würde man sagen, daß ein Gast auf einer Teegesellschaft zwischen Kuchen und Plätzchen wählen kann, obwohl nur Plätzchen serviert werden.«
»Ich glaube kaum, Garbin, daß Sie den wesentlichen Punkt dabei erfaßt haben, wenn ich so sagen darf. Sie akzeptieren doch wohl, daß die Gottheit ein Gott der Liebe ist?«
»Natürlich, natürlich. Aber Sie haben noch nicht erklärt –«
»Nun denn. Wenn dem so ist, muß Sein Ziel die Vollendung aller Wesen Seiner Schöpfung sein. Sie werden zugeben, daß es selbst dem größten Heiligen unmöglich ist, in den siebzig Jahren, die uns zur Verfügung stehen, Vollendung zu erlangen. Ich neige daher zu der Annahme, daß es ein Zwischenstadium geben muß, ein Purgatorium –«
Die Tür schwang auf, und Kanonikus Spitshuker trat in den Raum, dicht gefolgt von Kanonikus Garbin. Kanonikus Spitshuker war ein kleiner, molliger, leicht erregbarer Mann mit schwanenweißem Haar und rosarotem Gesicht. Kanonikus Garbin dagegen war groß, dunkel, mürrisch und normalerweise lakonisch: er ging gesetzt, die großen, knochigen Hände tief in die Jackentaschen gesteckt, während der andere tänzelte und gestikulierte, wie ein Pudel, der einen Bernhardiner begleitet. Zwei Kanoniker wie sie an derselben Kathedrale zu haben war nicht gerade ein Glücksfall, da Kanonikus Spitshuker seit langem überzeugter Traktarianer war, Kanonikus Garbin hingegen der Low Church anhing; ständig stritten sie sich ausgiebig über Themen der Lehre und der Liturgie, ohne je zu einer Einigung zu kommen. Anders als bei parallelen
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