Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
wieder etwas Haltung an, »wenn Sie sich die Kathedrale und die Bischofsgalerie ansehen würden, während ich mit den Leuten spreche. Wir müssen die Erlaubnis des Praecentors einholen, um auf die Galerie zu kommen, aber ich hoffe, daß es diesbezüglich keine Probleme geben wird. Ich kann Ihnen eine Nachricht für meine Leute mitgeben, und sie werden Ihnen jede Unterstützung zukommen lassen, die Sie benötigen.«
Fen nickte und leerte sein Glas. Sie standen auf, der Inspektor seufzte, und Geoffrey fühlte sich vom Alkohol leicht benebelt, ja abenteuerlustig.
»Tja«, sagte der Inspektor, »wir tappen nicht mehr ganz so sehr im dunkeln wie zuvor, obwohl das meiste nach wie vor Mutmaßungen sind. Jetzt werden wir sehen, was diese schauerliche Galerie wirklich verbirgt.«
Dazu sollte es jedoch nie kommen.
Kapitel 6
Mord in der Kathedrale
To-night it doth inherit
The vasty hall of death.
Matthew Arnold
Fortan hat seinen Platz er
Im hohen Todessaal.
Sie gingen vom »Whale and Coffin« zurück zum Gästehaus. Es war jetzt zehn vor zehn, und ein trüber Schleier lag auf den Dächern der Stadt, ein dämmriger Dunst machte die Linien der Landzunge Richtung Tolnmouth weicher und trieb silbrige Kanäle zwischen die vereinzelten weißen Häuser, die an dem niedrigen, fernen Ufer auf der anderen Seite der Flußmündung hingen. Das melancholische Geschrei der Möwen war fast verstummt. Der Himmel, als wollte er vor dem Angriff der Dunkelheit ein letztes Mal seine Schönheit demonstrieren, zeigte sich im blassesten, zartesten Blau. In der Luft lag die seltsame, unerklärliche Abendruhe – eine Ruhe, die nur durch das Krächzen eines Schwarms Saatkrähen durchbrochen wurde, die zu ihren Nestern in den Wipfeln einer Gruppe Tannen zurückkehrten. Die Stadt beherrschend, stand die Kathedrale da, ihr spitzer Turm ragte stolz in den Himmel.
Geoffrey humpelte stark; sein Bluterguß, davon war er überzeugt, hatte inzwischen beeindruckende Dimensionen angenommen, und eine zweite, ausgeprägtere Steifheit hatte seine Beine erfaßt. Außerdem war es nicht gerade hilfreich, daß Fen ein solches Tempo vorlegte; er ging unnötigerweise mit großen Schritten dahin, sprach ohne Unterlaß über Insekten, Kathedralen, Verbrechen sowie die Universität von Oxford und klagte unbefangen und lästerlich (bei ihm die normalen Anzeichen für gute Laune) über die Kriegsführung, sein persönliches Wohlergehen, die Undankbarkeit seiner Zeitgenossen und die Qualität gewisser Whiskysorten. Nichtsdestoweniger war Geoffrey zufriedener, als er es den ganzen Tag über gewesen war. Fen war wieder aufgetaucht, der mysteriöse Fall war ein wenig durchsichtiger geworden, und er (Geoffrey) war aller Wahrscheinlichkeit nach das Opfer zufälliger und nicht speziell gegen ihn gerichteter Bösartigkeit. Er dachte plötzlich darüber nach, wie sich zwei Variationen des Themas, nämlich Inversion und Diminution, miteinander kombinieren ließen, und sang fröhlich leise vor sich hin, bis sogar Fen, der gerade mitten in einer deprimierenden Geschichte über die Gewohnheiten des gemeinen Mistkäfers war, sich genötigt sah, eine Bemerkung darüber zu machen. Der Inspektor schwieg die meiste Zeit, hörte Fen ganz offensichtlich nicht zu, streute jedoch bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufs Geratewohl einsilbige Bemerkungen ein, wie Streichhölzer, die in einen Bach geworfen werden.
Sie waren noch nicht weit gegangen, als sie Fielding trafen, der von seinem Strandspaziergang zurückkam, seine Hose unten leicht fleckig vom Meerwasser. Er grüßte sie niedergeschlagen, offenbar machte ihm die Hitze noch immer arg zu schaffen, und er wurde Fen und dem Inspektor vorgestellt.
(»Doch nicht«, sagte Fen, bevor ihn jemand davon abhalten konnte, »der Autor von Tom Jones ?«)
Als sie weitergingen, brachte Geoffrey, soweit er es vermochte, Fielding auf den neuesten Stand, und Fielding wurde noch niedergeschlagener. Das Ausmaß an geistiger Unzulänglichkeit, das er an den Tag gelegt hatte, so schien sein Gesichtsausdruck zu sagen, bedeutete nichts Gutes für seine hypothetische Zukunft als Geheimagent. Es tröstete ihn jedoch ein wenig, als ihm klar wurde, daß er ja nicht alle erforderlichen Fakten gekannt hatte.
»Die Sache scheint ein bißchen klarer«, sagte er zu Geoffrey. Vor Anspannung legte er die Stirn in Falten. »Was sollte denn Ihrer Meinung nach jetzt geschehen?«
Geoffrey schilderte in groben Zügen, was geplant worden war, und Fielding
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