Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
obszöne Rituale. Geoffrey hatte selten eine uninteressantere halbe Stunde verbracht. Fen wurde wirklich sehr zappelig und war kaum davon abzuhalten, sich wieder hinauszuschleichen. Geoffrey fragte sich, wie die Messe zu Ende gehen würde; vielleicht würden sie God Save the King oder die Doxologie verkehrt herum spielen.
Schließlich kam das Ganze dann doch irgendwie zum Ende. Der Zelebrant und der Ministrant verschwanden in einem Raum im hinteren Teil der Baracke, und die Teilnehmerschar zerstreute sich nach kurzem Getuschel und Gekicher in der dunkler werdenden Dämmerung.
»Ich dachte, nach der Messe findet immer eine Orgie statt«, klagte Fen und nahm seine Maske ab.
»Eine Orgie.« Dallows Stimme klang leicht amüsiert. Er deutete mit einer Handbewegung auf den Raum. »Wohl kaum das richtige Milieu , finden Sie nicht? Man müßte schon sehr entschlossen sein, um hier eine befriedigende Orgie zu veranstalten.«
Der Raum war jetzt bis auf sie drei völlig leer. Geoffrey ging zum Altar und nahm den Kelch und die Hostie in Augenschein. Letztere, so stellte er fest, war eine große Rübenscheibe, die schwarz angemalt worden war, anscheinend mit Kreosot.
»Das ist Tradition«, erklärte Dallow. »Ich nehme an, das haben sie in irgendeinem Buch gelesen«, fügte er verächtlich hinzu.
Der Kelch enthielt ein widerliches Gebräu, offenbar auf Chininbasis.
»Hält sie jedenfalls gesund«, sagte Fen heiter. »Ich werde mal mit den Priestern dieser Riten sprechen«, fügte er hinzu und strebte zur Tür des hinteren Raumes.
»Dann überlasse ich Sie jetzt Ihren Ermittlungen«, sagte Dallow fröhlich. »Ich denke, Sie könnten auf Probleme stoßen. Die Regel der Geheimhaltung wird strikt eingehalten, und zwar – aus naheliegenden Gründen – ganz besonders vom Zelebranten. Trotzdem, ich wünsche Ihnen viel Glück. Vielleicht holen Sie mich ja ein – ich bin nicht so gut zu Fuß. Falls nicht, Ihnen noch einen schönen Abend, mit einem Mörder hinter jeder Tür.« Er kicherte, winkte einmal müde und verließ die Baracke.
Fen drehte den Knauf der Tür und stieß sie auf, obwohl sie klemmte und über den Boden schabte. Sie betraten einen Raum, der praktisch identisch mit dem war, den sie soeben verlassen hatten, nur viel kleiner. Er war nicht möbliert, bis auf einen einzigen billigen Tisch mit Stuhl.
Der Ministrant war fort, doch der Zelebrant war noch da und zog sich gerade, mit dem Rücken zu ihnen, den Talar aus. Als er sie hereinkommen hörte, setzte er ohne große Hast seine Maske wieder auf; dann drehte er sich zu ihnen um.
»Nun, Gentlemen?« Die Stimme war eindeutig verstellt. Aber Geoffrey konnte das Original nicht erkennen.
»Wir haben gehofft, Ihre Bekanntschaft machen zu können«, sagte Fen.
»Das ist leider unmöglich. Absolute Anonymität ist zwingend. Sie selbst müßten eigentlich maskiert sein.«
»Das ist doch albern.«
Der Zelebrant machte eine Geste, die man als humorvolle Resignation hätte deuten können. Tatsächlich jedoch zog er eine Pistole unter seinem Talar hervor und schoß damit auf Fen.
Kapitel 11
Whale and Coffin
Why, what a disgraceful catalogue of
cutthroats is here!
Thomas Otway
Gott, was für eine schändliche Melange
von Mordbuben!
Wie durch ein Wunder ging der Schuß daneben. Als Geoffrey sich später daran erinnerte, meinte er, daß der Arm des Zelebranten sich im Gewand verfangen hatte; zudem bestand kein Zweifel, daß er extrem nervös war. Fen, der im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, ließ sich mit gekonnter Geistesgegenwart nach vorn aufs Gesicht fallen. Geoffrey, der nicht gedient hatte, blieb reglos stehen und starrte nur unverkennbar verblüfft. Und der Zelebrant geriet in Panik. Es gab keinen logischen Grund dafür, warum er sie nicht beide auf der Stelle tötete. Aber er zögerte, und während er noch zögerte, erklang von draußen das Geräusch hastiger Schritte; jemand hatte den Schuß gehört. Der Zelebrant, grotesk in seinem Gewand und mit Maske, eilte zu einer Tür, die nach draußen führte, riß sie auf und stürzte hinaus. Fast im selben Augenblick kam jemand mit schweren Schritten durch den Raum, in dem die Messe stattgefunden hatte, und durch die Tür, durch die sie selbst eingetreten waren. Es war Dallow, zerzaust und verstört. Eher reflexartig als mutig lief Geoffrey hinter dem Zelebranten her nach draußen. Dabei bemerkte er noch, daß Fen leise vor sich hingrummelnd wieder auf die Beine kam.
Der Zelebrant hatte einen gehörigen Vorsprung.
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