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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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wacklige Archäologenleiter hinab – nicht ganz einfach mit einem kaum funktionstüchtigen Arm – und über die Stufen. Blödsinnig grinsend erreichte ich schließlich festen Boden und suchte mir mit einprogrammierter Vorsicht unter leisem Kichern einen Weg zwischen den Hütten hindurch. Selbst als ich bei der Hütte ankam, in der wir gewohnt hatten, selbst als ich drinnen das leere Bett anstarrte, in dem ich Sylvie zurückgelassen hatte, spürte ich die Spur eines Grinsens über meine Lippen zucken, und in meinem Bauch rumorte immer noch ein unterdrücktes Lachen. So war es, wenn man runterkam.
    Es war knapp gewesen.
    Die Finger vom Kabel zu lösen hatte nicht besonders viel Spaß gemacht, aber verglichen mit dem Rest meines kleinen Ausflugs war es die pure Freude gewesen. Einmal befreit, fiel mein linker Arm herab und hing schwer im Schultergelenk, das wie ein entzündeter Zahn schmerzte. Das Ding war mir etwa so nützlich wie ein totes Gewicht um meinen Hals. Eine Minute lang tat ich nichts außer fluchen, dann überwand ich mich schließlich, meinen rechten Fuß loszumachen, an meiner rechten Hand zu schwingen und das Bewegungsmoment zu nutzen, um einen wenig eleganten Seitwärtssprung Richtung Kegel zu wagen. Ich griff zu, verkrallte die Finger, stellte fest, dass die Marsianer ausnahmsweise ein Material benutzt hatten, das ansatzweise eine anständige Oberflächenreibung bot, und zog mich auf den Sattel am unteren Ende des Kegels. Dort blieb ich gut zehn Minuten lang sitzen und drückte die Wange an die kalte marsianische Legierung.
    Nach einigem vorsichtigen Drehen und Wenden konnte ich schließlich die Bodenluke ausmachen, die Grabung 301 versprochen hatte. Wenn ich mich auf der abgeknickten Spitze des Kegels hinstellte, musste sie in greifbare Nähe gelangen. Ich spannte den linken Arm an, spürte eine leichte Reaktion über dem Ellbogen und kam zu dem Schluss, dass ich mich mit dem Arm zumindest in der Luke verkeilen konnte. Aus der Position konnte ich wahrscheinlich die Beine hochziehen und hineinkriechen.
    Nach zehn weiteren Minuten war ich schweißüberströmt und für einen Versuch bereit.
    Anderthalb angespannte Minuten später lag ich im Horst auf dem Boden, kicherte leise vor mich hin und lauschte den plätschernden Echos in der fremden Architektur, die mir das Leben gerettet hatte.
    Keine große Sache.
    Schließlich schaffte ich es aufzustehen und ging hinaus.
    In der Hütte hatten sie jede Innentür eingetreten, hinter der sich eine Bedrohung hätte verbergen können. Im Schlafzimmer, in dem Sylvie und ich gelegen hatten, gab es Spuren eines Kampfes. Ich schaute mich in der Hütte um, während ich mir Arm und Schulter massierte. Der kleine Nachttisch war umgeworfen, die Laken waren verdreht und hingen vom Bett auf den Boden herab. Anderswo hatten sie nichts angefasst.
    Kein Blut. Kein Geruch von Waffenentladungen.
    Auf dem Schlafzimmerboden fand ich mein Messer und die GS Rapsodia. Sie waren vom umgestürzten Nachttisch gefallen und in gegenüberliegende Ecken geschlittert. Niemand hatte sich für sie interessiert.
    Sie hatten es zu eilig gehabt.
    Zu eilig, was zu tun? Den Berg runterzuklettern und einen toten Takeshi Kovacs einzusammeln?
    Ich runzelte die Stirn, während ich die Waffen einsammelte. Seltsam, dass sie die Hütte nicht auf den Kopf gestellt hatten. Grabung 301 zufolge waren Leute nach unten geschickt worden, um meinen zerschmetterten Körper zu bergen, aber dafür brauchte man kein komplettes Einsatzteam. Es wäre vernünftig gewesen, die Gebäude hier oben zumindest einer oberflächlichen Suchaktion zu unterziehen.
    Ich fragte mich, was für eine Suche sie in diesem Moment am Fuß des Berges durchführten. Ich fragte mich, was sie tun würden, wenn sie meinen Körper nicht fanden, wie lange sie weitersuchen würden.
    Ich fragte mich, was er tun würde.
    Zurück im Wohnzimmer setzte ich mich auf die Tischkante. Starrte in die Tiefen des Datengitters. Ich hatte das Gefühl, dass der Schmerz in meinem linken Ellbogen ein wenig nachließ.
    »Grabung?«
    Flimmernd erschien sie am anderen Ende des Tisches. Maschinenperfekt wie immer, unberührt von den Ereignissen der letzten Stunden.
    »Professor?«
    »Du hast erwähnt, dass du Aufzeichnungen von den Geschehnissen hast. Gilt das für die ganze Ausgrabungsstätte?«
    »Ja. Eingabe und Ausgabe laufen über dasselbe visuelle System. Für jeweils acht Kubikmeter der Grabungsstätte gibt es eine Mikrokamera. Innerhalb der Horste ist die

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