Heiliger Zorn
überhaupt nicht bewegen.«
Es war wie ein Mantra, wie ein Gebet, und jemand schien es mir seit Stunden vorzusingen. Ich war mir ohnehin nicht sicher, ob ich in der Lage gewesen wäre, ihm zuwiderzuhandeln – mein linker Arm war von der Hand bis zur Schulter eiskalt und taub, und meine Augen fühlten sich an wie zugeklebt. Vielleicht war meine Schulter ausgekugelt. Irgendwo anders pulsierte der unbestimmte Schmerz des Katers nach einem Betäubungsschuss durch meinen Körper. Alles an mir fühlte sich kalt an.
»Nicht die Augen aufmachen, nicht die linke Hand öffnen, überhaupt nicht…«
»Ich hab’s gehört, Grabung.« Irgendetwas Klumpiges schien mir im Hals zu stecken. Ich hustete, und eine erschreckende Welle der Übelkeit durchströmte mich. »Wo bin ich?«
Kurzes Zögern. »Vielleicht sollten wir uns später mit dieser Frage befassen, Professor van Dusel. Nicht die linke Hand öffnen.«
»Kapiert. Linke Hand nicht öffnen. Ist sie hinüber?«
»Nein«, antwortete das Konstrukt widerwillig. »Offenbar nicht. Aber sie ist das Einzige, was Sie hier oben hält.«
Ein Schock, als hätte mir jemand einen Pflock durch die Brust gerammt. Dann die Welle falscher Gelassenheit, als die Envoy-Konditionierung ansprang. Envoys hatten mit so etwas klarzukommen – an unerwarteten Orten aufzuwachen gehörte zum Job. Man geriet nicht in Panik, man sammelte Daten und versuchte, mit der Situation zurechtzukommen. Ich schluckte schwer.
»Ich verstehe.«
»Sie können die Augen jetzt öffnen.«
Ich kämpfte gegen den Nachschmerz der Betäubung an und zwang die Lider auseinander. Blinzelte ein paarmal, um meine Sicht zu klären, und wünschte mir dann, es nicht getan zu haben. Der Kopf lag mir schwer auf der rechten Schulter, und das Einzige, was ich aus dieser Position sehen konnte, waren fünfhundert Meter Leere und darunter der Fuß des Berges. Die Kälte und das Übelkeit erregende Schwanken ergaben plötzlich Sinn. Ich hing wie ein Gehängter am Griff meiner eigenen linken Hand.
Erneut flammte der Schock auf. Ich verdrängte das hartnäckige Gefühl und verdrehte den Hals, um nach oben zu sehen. Meine Hand hatte sich um ein grünliches Kabel geschlossen, das an beiden Enden nahtlos in Flächen aus rauchgrauem Material überging. Zu allen Seiten umgaben mich in seltsamen Winkeln abstehende Streben und Speichen aus derselben Legierung. Noch benommen von der Betäubungsladung brauchte ich einen Moment, um zu begreifen, dass ich mich direkt unterhalb des Horstes befand. Offenbar war ich nicht besonders tief gefallen.
»Was ist passiert, Grabung?«, krächzte ich.
»Im Fallen haben Sie nach einem marsianischen Personalkabel gegriffen, das sich, so weit wir seine Funktion verstehen, eingezogen und Sie in eine Erholungskammer gebracht hat.«
»Erholungskammer?« Ich blickte mich zwischen den Streben und Pfeilern nach einem Anzeichen für einem sicheren Stehplatz um. »Und wie funktioniert sie?«
»Das ist nicht ganz sicher. Es macht den Eindruck, dass ein Marsianer, zumindest ein ausgewachsener Marsianer, keine Schwierigkeiten hätte, von Ihrer jetzigen Position aus mithilfe der umliegenden Strukturen zu den Öffnungen an der Unterseite des Horstes zu gelangen. Davon gibt es mehrere innerhalb…«
»In Ordnung.« Ich starrte grimmig auf meine geschlossene Faust. »Wie lange war ich bewusstlos?«
»Siebenundvierzig Minuten. Ihr Körper scheint höchst widerstandsfähig gegen neurogene Frequenzwaffen zu sein. Und er ist offenbar ans Überleben in gefährlichen Gebirgsregionen angepasst worden.«
Sag bloß.
Es war mir ein Rätsel, warum Eishundo Organics nicht mehr im Geschäft waren. Von mir hätten sie auf Anfrage unverzüglich ein Empfehlungsschreiben bekommen. Ich hatte schon bei anderen Kampfsleeves unterbewusste Überlebensprogrammierungen erlebt, aber das hier war ein echtes Stück biotechnischer Genialität. Eine unscharfe Erinnerung an das Geschehen regte sich in meinem halb betäubten Schädel. Der rasende Schwindel, das Entsetzen des Sturzes. Der Griff nach etwas halb Wahrgenommenem, während sich die Betäubungswirkung wie ein eiskalter schwarzer Umhang um mich schloss. Ein letztes Zucken, als sich mein Bewusstsein verabschiedete. Gerettet von einem Labor voller Biotech-Nerds und ihrem dreihundert Jahre zurückliegenden Designerenthusiasmus.
Mein schwaches Lächeln verblasste, als ich mich fragte, was die fast eine Stunde anhaltende Muskelanspannung und Gewichtsbelastung mit den Sehnen und Gelenken
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