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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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wie viele andere Frachtkapitäne, denen ich begegnet war, ein gerissener, aber verhältnismäßig phantasieloser Kerl. Er wusste fast nichts über mich, und wie er mir erzählte, hielt er es so am liebsten mit seinen Passagieren, aber er war keineswegs auf den Kopf gefallen. Und man musste kein Archäologe sein, um sich denken zu können, dass jemand, der eine Stunde vor der Abfahrt an Bord eines verrosteten alten Frachters kam und für eine Koje im winzigen Mannschaftsquartier genauso viel Geld bot wie für eine Kabine der Safran-Linie – dass so jemand wahrscheinlich kein sehr freundliches Verhältnis zur Polizei hatte. Für Japaridze hatten die Löcher, die er in meinem Wissen über die letzten Jahrzehnte auf Harlans Welt zutage gefördert hatte, eine sehr einfache Erklärung. Ich war nicht in der Gegend gewesen, in der altehrwürdigen kriminellen Bedeutung dieses Ausdrucks. Ich erwiderte diese Mutmaßung jedes Mal mit der simplen Wahrheit über meine Abwesenheit und erhielt jedes Mal das keuchende Lachen als Antwort.
    Was mir nur recht war. Die Leute glaubten sowieso, was sie glauben wollten – man musste sich nur die verdammten Bärte anschauen –, und ich hatte den deutlichen Eindruck erhalten, dass es auch in Japaridzes Vergangenheit Einlagerungszeiten gegeben hatte. Ich wusste nicht, was er sah, wenn er mich betrachtete, aber ich hatte eine Einladung auf die Brücke erhalten, und zwar schon am zweiten Abend nach der Abfahrt von Tekitomura. Und als wir Erkezes am südlichsten Zipfel des Safran-Archipels verlassen hatten, tauschten wir bereits Tipps über unsere Lieblingskneipen in Newpest und die besten Grillrezepte für Flaschenrücken-Steaks aus.
    Ich versuchte, mich nicht durch die Zeit nervös machen zu lassen.
    Ich versuchte, nicht an den Millsport-Archipel und den langen nach Westen führenden Bogen zu denken, den wir schnitten.
    Es war nicht leicht, Schlaf zu finden.
    Die nächtliche Brücke der Tochter des Haiduci stellte eine sinnvolle Alternative dar. Ich hockte mit Japaridze zusammen, trank billigen Whisky-Verschnitt aus Millsport und beobachtete, wie der Frachter sich immer weiter nach Süden durchs Meer pflügte, in wärmere Gewässer, wo die Luft bereits den Duft von Belatang herantrug. Ich erzählte genauso automatisch wie die Maschinen, die das Schiff auf dem bogenförmigen Kurs hielten, abgespeicherte Geschichten über Sex- und Reiseabenteuer oder sprach von meinen Erinnerungen an Newpest und das Hinterland von Kossuth. Ich massierte die Muskeln meines linken Arms, der immer noch pochend schmerzte. Ich spannte die linke Hand gegen die Stiche an, die mir die Bewegung bereitete. Im Hinterkopf überlegte ich, auf welche Weise ich Aiura und mich selbst töten konnte.
    Am Tag streifte ich über die Decks und mischte mich so wenig wie möglich unter die anderen Passagiere. Ich fand sie sowieso nicht besonderes interessant. Es waren drei ausgebrannte und verbitterte DeComs, die nach Süden wollten, vielleicht nach Hause, vielleicht nur in die Sonne; ein Netzquallen-Unternehmer mit harten Augen und sein Leibwächter, die eine Öllieferung nach Newpest begleiteten; ein junger Priester der Neuen Offenbarung und seine sorgsam verhüllte Frau, die in Erkezes zugestiegen waren. Sowie ein weiteres halbes Dutzend Männer und Frauen, die überhaupt keinen Eindruck hinterließen und sich noch mehr als ich von den anderen absonderten, die jedes Mal den Blick abwandten, wenn sie angesprochen wurden.
    Ein gewisses Maß der sozialen Interaktion war jedoch unvermeidlich. Die Tochter des Haiduci war ein kleines Schiff, im Wesentlichen nicht mehr als ein Schleppkahn, den man an vier Duplex-Frachtcontainer und einen leistungsfähigen Hoverlader-Antrieb angeschweißt hatte. Zugangsstege verliefen auf zwei Ebenen von den vorderen Decks an den Seiten der Frachteinheiten und zwischen ihnen hindurch und bis ganz nach hinten zur einer engen Beobachtungsblase, die am Heck festgenietet war. Der wenige Wohnraum machte einen sehr beengten Eindruck. Zu Anfang gab es ein paar Streitereien, darunter auch eine Auseinandersetzung um gestohlene Lebensmittel, die Japaridze beendete, indem er drohte, die Leute in Erkezes von Bord zu werfen. Doch als der Safran-Archipel hinter uns lag, hatten sich alle wieder einigermaßen beruhigt. Während der Mahlzeiten führte ich zwangsläufig ein paar Gespräche mit den DeComs und versuchte, Interesse an den Geschichten aus ihrem harten Leben und der wagemutigen Existenz in der Ungeräumten

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