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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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brachte, die er nie persönlich erlebt hatte, jetzt nicht erzählen.
    Er rückte seinen ausgestreckten Körper auf dem Sand zurecht.
    »Gut, aber das Planungskomitee von New Hokkaido sah es nicht so skeptisch wie du. Vielleicht waren sie auch einfach nur verzweifelt. Auf jeden Fall entwickelten sie etwas Ähnliches, das mit der Transferierung digitalisierter Individuen arbeitete. Sie konstruierten Silhouettenpersönlichkeiten für jedes Mitglied des Komitees, nicht mehr als eine oberflächliche Sammlung grundlegender Erinnerungen und individueller…«
    »Hör auf mich zu verarschen, verdammt!«
    »… und luden sie in Breitband-Datenminen, die in den Sektoren der Quellisten deponiert und ausgelöst werden sollten, wenn sie überrannt wurden. Nein, ich verarsche dich nicht.«
    Nun schloss ich die Augen.
    Ach du Scheiße.
    Brasils Stimme rieselte gnadenlos weiter. »Ja, der Plan sah vor, dass sie im Fall einer Schlappe die Minen zünden und ein paar Dutzend ihrer Verteidiger zurücklassen würden, vielleicht auch die Vorhut ihrer vorrückenden Truppen. Und jeder von ihnen wäre fest davon überzeugt, Quellcrist Falconer zu sein. Oder wer auch immer.«
    Das Rauschen der Wellen und ferne Rufe vom Meer.
    Würde es dir etwas ausmachen, mich zu halten, während ich abtauche?
    Ich sah ihr Gesicht. Ich hörte die veränderte Stimme, die nicht Sylvie Oshimas war.
    Berühre mich. Sag mir, dass du real bist, verdammt!
    Brasil war immer noch dabei, aber man hörte, dass er bereits herunterfuhr. »Eine ziemlich schlaue Waffe, wenn man genauer darüber nachdenkt. Allgemeine Verwirrung. Wem, zum Henker, kannst du da noch vertrauen? Wen sollst du festnehmen? Das wahre Chaos. Vielleicht gewinnt die echte Quell dadurch genug Zeit, um zu entkommen. Vielleicht gerade genug, Chaos zu stiften. Der letzte Schlag. Wer weiß?«
    Als ich die Augen wieder öffnete, hatte er sich aufgesetzt und blickte wie zuvor aufs Meer hinaus. Der friedliche und heitere Ausdruck war von seinem Gesicht verschwunden, wie Schminke abgewischt, wie Meerwasser, das in der Sonne getrocknet war. Irgendwo innerhalb der Surferstatur wirkte er plötzlich verbittert und zornig.
    »Wer hat dir all das erzählt?«, fragte ich ihn.
    Er blickte sich zu mir um, und ein schwaches Echo seines früheren Lächelns flackerte auf.
    »Jemand, den du kennen lernen musst«, sagte er leise.
     
    Wir nahmen seine Gondel, einen reduzierten Zweisitzer, der kaum größer als der Einsitzer, den ich gemietet hatte, aber, wie sich herausstellte, deutlich schneller war. Brasil machte sich die Mühe, einen ramponiert aussehenden Pantherfell-Schutzanzug anzulegen, wieder etwas, das ihn von all den anderen Idioten unterschied, die in Badekleidung den Highway rauf und runter rasten, ohne zu bedenken, dass ihnen sämtliches Fleisch von den Knochen gerissen würde, wenn sie bei diesen Geschwindigkeiten stürzten und durch die Gegend flogen.
    »Nun ja«, sagte er, als ich ihn darauf ansprach. »Manche Risiken sind es wert. Andere sind einfach nur tödlicher Unsinn.«
    Ich setzte meinen Polmetall-Helm auf, der sich meinem Kopf anpasste. Meine Stimme drang blechern aus dem Lautsprecher.
    »Musst gut auf die ganze Scheiße aufpassen, was?«
    Er nickte. »Die ganze Zeit.«
    Er warf die Gondel an, setzte seinen Helm auf und raste dann mit stetigen zweihundert Stundenkilometern über den Highway Richtung Norden. Auf dem gleichen Weg, den ich gekommen war, als ich nach ihm gesucht hatte. Am rund um die Uhr geöffneten Restaurant vorbei, an den anderen Haltestellen und Bevölkerungskonzentrationen, an denen ich seinen Namen wie Blut rund um ein Flaschenrücken-Charterboot verstreut hatte, zurück durch Kern Point und weiter. Bei Tageslicht verlor der Strip viel von seiner Romantik. Die winzigen Dörfer aus Fensterlicht, die ich am Vorabend in südlicher Richtung passiert hatte, erwiesen sich in der gnadenlosen Sonne als zweckmäßige Hütten und Ballonkammern. Neon- und Holoschilder waren ausgeschaltet oder bis zur Unkenntlichkeit verblasst. Die Dünensiedlungen hatten ihren gemütlichen Hauptstraße-bei-Nacht-Charme abgeschüttelt und waren zu einfachen Ansammlungen von Gebäuden zu beiden Seiten des vermüllten Highways geworden. Nur das Rauschen des Meeres und die Gerüche waren die Gleichen, und wir fuhren viel zu schnell, um sie richtig wahrnehmen zu können.
    Zwanzig Kilometer nördlich von Kern Point führte eine kleine, schlecht gepflasterte Nebenstraße in die Dünen. Brasil drosselte für die

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