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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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gezwungen worden war, in Tekitomura einen Schleier zu tragen. »Warum bei den drei Monden sollte irgendjemand freiwillig so etwas anlegen wollen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Es ist nicht die idiotischste Idee, der sich Menschen unterworfen haben.«
    Sie warf mir einen prüfenden Blick zu. »Ist das eine versteckte Kritik?«
    »Nein. Wenn ich etwas zu kritisieren habe, wirst du es laut und deutlich vernehmen.«
    Sie ahmte mein Achselzucken nach. »Ich freue mich schon darauf. Aber ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du kein Quellist bist.«
    Ich atmete tief durch.
    »Gehe aus, wovon du willst. Ich jedenfalls gehe raus.«
     
    Am unteren kommerziellen Ende des Hafens spazierte ich umher, bis ich ein Ballonkammer-Cafe’ gefunden hatte, das preiswerte Speisen und Getränke an die Fischer und Hafenarbeiter verkaufte. Ich bestellte eine Schüssel mit Fisch-Ramen, trug sie zu einem Sitz am Fenster und machte mich darüber her. Währenddessen beobachtete ich Seemänner auf den Decks der Schiffe und den Stegen zwischen den Auslegern des Rochenjägers. Nach einer Weile kam ein magerer Einheimischer mittleren Alters mit seinem Tablett an meinen Tisch.
    »Stört es Sie, wenn ich mich setze? Hier ist es recht voll.«
    Ich blickte mich im Raum um. Es war einiges los, aber es gab noch andere freie Plätze. Unhöflich zuckte ich die Achseln.
    »Wie Sie meinen.«
    »Danke.« Er setzte sich, hob den Deckel von seiner Bento-Schachtel und begann zu essen. Eine Weile speisten wir beide schweigend, bis es zum Unvermeidlichen kam. Zwischen zwei Bissen bemerkte er, wie ich ihn ansah. Seine verwitterten Züge runzelten sich zu einem Grinsen.
    »Also sind Sie nicht von hier?«
    Ich spürte eine leichte Anspannung meiner Nerven. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ah, ich verstehe.« Wieder grinste er. »Wenn Sie von hier wären, müssten Sie mich das nicht fragen. Sie würden mich kennen. Ich kenne jeden hier in Kuraminato.«
    »Gut für Sie.«
    »Aber Sie sind auch nicht vom Rochenjäger, oder?«
    Ich legte die Stäbchen weg. Nüchtern überlegte ich, ob ich diesen Mann später würde töten müssen. »Was sind Sie von Beruf? Detektiv?«
    »Nein!« Er lachte vergnügt. »Ich bin ein graduierter Experte für Flüssigkeitsdynamik. Graduiert und unbeschäftigt. Oder sagen wir unterbeschäftigt. Heutzutage arbeite ich hauptsächlich für den Trawler da drüben, den grün angestrichenen. Aber meine Familie hat mich durchs College geschleust, als die Mikuni-Sache noch lief. In Echtzeit, weil sie sich kein virtuelles Studium leisten konnten. Sieben Jahre. Sie dachten sich, alles, was mit Strömungen zu tun hat, muss eine solide Berufsausbildung sein, aber als ich meinen Abschluss hatte, war es damit plötzlich vorbei.«
    »Und warum sind Sie geblieben?«
    »Ach, das hier ist nicht meine Heimatstadt. Ich stamme aus einem Ort ein paar Kilometer die Küste rauf, aus Albamisaki.«
    Der Name fiel wie eine abgeworfene Bombe durch mich hindurch. Ich saß erstarrt da und wartete, dass sie detonierte. Fragte mich, was ich tun würde, wenn es geschah.
    Ich reaktivierte meine Stimme. »Tatsächlich?«
    »Ja, ich kam mit einem Mädchen hierher, das ich im College kennen lernte. Ihre Familie wohnt in diesem Dorf. Ich hatte mir überlegt, ob wir eine Schiffswerkstatt eröffnen könnten, um mir meinen Lebensunterhalt durch Reparaturen an Trawlern zu verdienen, bevor ich vielleicht ein paar Konstruktionsaufträge für Jachtgenossenschaften in Millsport kriege.« Er verzog ironisch das Gesicht. »Nun ja. Stattdessen habe ich eine Familie gegründet. Jetzt bin ich viel zu sehr damit beschäftigt, genügend Essen, Kleidung und Schulsachen ranzuschaffen.«
    »Was ist mit Ihren Eltern? Sehen Sie sie noch ab und zu?«
    »Nein, sie sind tot.« Seine Stimme erstickte am letzten Wort. Er wandte den Blick ab und presste die Lippen zusammen.
    Ich beobachtete ihn aufmerksam.
    »Das tut mir Leid«, sagte ich schließlich.
    Er räusperte sich. Sah mich wieder an.
    »Nein. Es ist ja nicht Ihre Schuld. Sie wissen schon. So ist das nun mal.« Er atmete ein, als würde es ihm große Schmerzen bereiten. »Es passierte erst vor etwa einem Jahr. Aus heiterem Himmel. Irgendein Scheißverrückter mit einem Blaster ist durchgedreht. Hat die Leute dutzendweise abgeknallt. Alle älteren Leute, mindestens fünfzig. Es war einfach nur krank. Völlig sinnlos.«
    »Hat man den Typen geschnappt?«
    »Nein.« Ein weiterer schmerzhafter Atemzug. »Nein, er läuft immer noch irgendwo da draußen

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