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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mick, alles klar?«
    Ich blickte auf. Sie musterte mich mit besorgter Aufmerksamkeit. Ich zwang mich zu nicken.
    »Ja. Mir geht’s gut.«
    »Kannst du vielleicht ein bisschen schneller machen? Orr ist gleich zurück, und er hat es bestimmt eilig.«
    »Klar.« Ich wandte mich der anderen Leiche zu. Das Messer erwachte brummend zum Leben. »Es würde mich immer noch interessieren, was du wegen Jadwiga zu tun gedenkst.«
    »Wirst du schon sehen.«
    »Ein Partytrick, was?«
    Sie antwortete nicht, ging stattdessen zum Fenster und starrte ins Licht und ins Treiben des neuen Tages hinaus. Als ich zum zweiten Wirbelsäulenschnitt ansetzte, wandte sie sich wieder zu mir um.
    »Warum begleitest du uns nicht einfach, Micky?«
    Ich rutschte ab, und das Messer bohrte sich bis zum Schaft ins Fleisch. »Wie bitte?«
    »Komm mit uns mit.«
    »Nach Drava?«
    »Willst du mir vielleicht erzählen, dass du bessere Chancen hast, wenn du es hier in Tekitomura mit den Yaks aufnimmst?«
    Ich befreite die Klinge und führte den Schnitt zu Ende. »Ich brauche einen neuen Körper, Sylvie. Der hier ist nicht für eine Begegnung mit den Mimints geeignet.«
    »Und wenn ich dir einen organisiere?«
    »Sylvie.« Ich keuchte vor Anstrengung, als ich das Knochenstück heraushebelte. »Wo, zum Teufel, willst du mir auf New Hokkaido einen Körper besorgen? Menschliches Leben kann da so schon kaum existieren. Wie willst du die entsprechenden Einrichtungen auftreiben?«
    Sie zögerte. Auch ich hielt inne, als die Envoy-Intuition mich darauf aufmerksam machte, dass mehr hinter dieser Sache steckte.
    »Das letzte Mal, als wir draußen waren«, sagte sie langsam, »haben wir in den Hügeln östlich von Sopron einen Kommandobunker der Regierung entdeckt. Die intelligenten Schlösser waren zu kompliziert, um sie in der kurzen Zeit, die wir hatten, zu knacken, außerdem waren wir sowieso zu weit nördlich und auf Mimint-Gebiet. Aber ich bin weit genug reingekommen, um eine grobe Bestandsaufnahme zu machen. Da drinnen gibt es ein komplettes medizinisches Labor, eine vollständige Resleeving-Einheit und eine Kryokapsel-Klonbank. Rund zwei Dutzend Sleeves, den Signaturen nach mit Kampf-Biotech ausgestattet.«
    »Na schön, das ergibt Sinn. Dahin bringt ihr Jadwiga?«
    Sie nickte.
    Nachdenklich blickte ich auf das Stück Wirbelsäule in meiner Hand und auf die ausgefranste Wunde, aus der ich es hervorgezogen hatte. Ich dachte daran, was die Yakuza mit mir machen würden, wenn sie mich in diesem Sleeve erwischten.
    »Für wie lange geht ihr rüber?«
    Sie zuckte die Achseln. »So lange, wie es dauert. Wir haben Ausrüstung und Proviant für drei Monate, aber das letzte Mal haben wir unsere Quote in der Hälfte der Zeit erfüllt. Du könntest früher zurückkehren, wenn du willst. Aus Drava fahren ständig Schiffe ab.«
    »Und du bist dir sicher, dass das Zeug in diesem Bunker noch funktioniert?«
    Sie grinste und schüttelte den Kopf.
    »Was ist?«
    »So ist das auf New Hok, Micky. Da drüben funktioniert nach wie vor alles. Das ist das Problem mit dem Scheißkontinent.«

 
5
     
     
    Das Luftkissenschiff Gewehre für Guevara war genau das, wonach es klang – ein unscheinbarer, schwer gepanzerter Haifisch, aus dessen Rücken Geschütze wie die Zacken eines Wirbelkamms ragten. In deutlichem Gegensatz zu den kommerziellen Schiffen, die die Routen zwischen Millsport und dem Safran-Archipel durchpflügten, hatte es keine externen Decks oder Türme. Die Brücke war nicht mehr als eine kleine, runde Blase an den stumpfgrauen Bugaufbauten, und die Flanken krümmten sich in einer glatten, gleichmäßigen Wölbung einwärts. Die offen stehenden Ladeluken im Bug sahen aus, als könnten sie jederzeit dichte Raketenstaffeln verschießen.
    »Bist du dir sicher, dass es funktionieren wird?«, fragte ich Sylvie, als wir die zum Wasser abfallende Dockrampe erreichten.
    »Bleib locker«, knurrte Orr hinter mir. »Das hier ist nicht die Safran-Linie.«
    Er hatte Recht. Für eine Operation, die laut Regierungsangaben strengsten Sicherheitsrichtlinien folgte, erschien mir die DeCom-Einschiffungsprozedur außerordentlich schlampig. Neben jeder Ladeluke schrieb ein Steward in schmutziger blauer Uniform von Hand eine Ladeliste und zog die Autorisierungen durch ein Lesegerät, dass in einem Experia-Film aus der Siedlerzeit nicht besonders fehl am Platz gewesen wäre. Die ausgefransten Schlangen des einsteigenden Personals wogten knöcheltief in Handgepäck über die Rampe auf und ab.

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