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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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billige Überfahrt nach Süden auf einem Schnellfrachter nach Kossuth gebucht und sich einen neuen Sleeve gekauft, ab sie ankam. Surfer-Ausstattung. Hat ihr Konto leer geräumt, um das Ding zu bezahlen. Alles verpulvert. Sie ist… ich weiß, dass sie da unten ist, zusammen mit diesem dreckigen…«
    Er bricht erstickt ab. Schwere Stille. Irgendein eingerosteter Rest Anstand weckt Unbehagen in mir. Lässt meinen Tonfall sanft werden.
    »Also denken Sie, dass Brasil immer noch da rumhängt?«
    »Was verändert sich schon auf Vchira Beach?«, fragt er verbittert.
    »In Ordnung, Yaros. Das ist alles, was ich wissen muss. Danke, Mann.« Ich hebe verwundert über meine eigenen Worte eine Augenbraue. »Nehmen Sie’s nicht so schwer, ja?«
    Er schnauft. Gerade, als ich die Verbindung unterbrechen will, räuspert er sich und setzt zum Sprechen an.
    »Wenn Sie sie sehen. Sagen Sie ihr…«
    Ich warte.
    »Ach, scheiß drauf.« Und er legt auf.
     
    Das Tageslicht verblasste.
    Weiter unten blinkten erste Lichter in Tekitomura auf, als die Nacht vom Meer her in die Stadt strömte. Am westlichen Horizont hing Hotei schwer und fett und malte eine gesprenkelte orangefarbene Spur übers Wasser bis zur Küste. Marikanon stand kupferrot und an einer Ecke angenagt über mir. Draußen auf See bewegten sich bereits die Lichter der Käscherschiffe durchs tiefer werdende Zwielicht. Die Hafengeräusche trieben leise zu mir herauf. Kein Schlaf bei den DeComs.
    Ich sah zur Archäologenhütte zurück, doch mein Blick wurde vom marsianischen Horst angezogen. Er erhob sich fest und knochig in den dunkler werdenden Himmel zu meiner Rechten, wie das Gerippe von etwas, das seit sehr langer Zeit tot war. Die orangekupferfarbene Mondlichtmischung fiel durch Öffnungen in der Struktur und kam an manchen Stellen in erstaunlichen Winkeln wieder zum Vorschein. Die Nacht brachte eine kalte Brise mit sich, die die herabhängenden Kabel in träge Schwingungen versetzte.
    Wir mieden sie, weil wir auf einer Welt wie dieser nicht besonders viel mit ihnen anfangen konnten, aber manchmal fragte ich mich, ob nicht mehr dahintersteckte. Ich hatte eine Archäologin kennen gelernt, die mir erzählte, dass das menschliche Siedlungsverhalten den Überresten der marsianischen Zivilisation auf jeder Welt des Protektorats ausweicht. Das ist instinktiv, hatte sie mir erklärt. Atavistische Furcht. Sogar die Grabungsstädte werden verlassen, sobald die Arbeiten abgeschlossen sind. Niemand bleibt freiwillig.
    Ich starrte in den Irrgarten aus zersplittertem Mondlicht und Schatten, den der Horst erschuf, und ich spürte, wie in mir etwas von dieser atavistischen Furcht durchsickerte. Man konnte sich im schwindenden Licht allzu leicht das langsame, rhythmische Schlagen schwerer Schwingen ausmalen, die Raubvogelsilhouetten, die am Abendhimmel kreisten, größere und kantigere Gestalten als alles, was sich seit Menschengedenken auf der Erde in die Lüfte erhoben hatte.
    Gereizt schüttelte ich den Gedanken ab.
    Konzentrieren wir uns einfach auf die wirklichen Probleme, in Ordnung, Micky? Es ist schließlich nicht so, dass es uns daran mangeln würde.
    Die Hüttentür ging auf und Licht strömte heraus. Plötzlich wurde mir bewusst, wie kühl die Luft geworden war.
    »Kommst du rein zum Essen?«, fragte sie.

 
16
     
     
    Die Zeit auf dem Berg war nicht besonders hilfreich.
    Am ersten Morgen schlief ich aus, aber das bescherte mir nur Kopfschmerzen und ein Schwindelgefühl, als ich mich endlich aus dem Schlafzimmer wagte. Eishundo Organics hatte seine Sleeves offenbar nicht zur Dekadenz entworfen. Sylvie war nicht da, aber der Tisch war voll mit unterschiedlichsten Frühstücksartikeln. Die meisten Packungen waren aufgerissen. Ich stöberte in den Überresten herum und entdeckte eine noch volle Dose Kaffee. Ich zog den Aufwärmstreifen und trank ihn am Fenster stehend. In meinem Hinterkopf drängten sich halb vergessene Träume, in denen es hauptsächlich um Ertrinken ging. Das meiste davon hatte irgendwo tief auf der Zellebene stattgefunden – ein Überbleibsel der langen Zeit, die mein Sleeve im Tank verbracht hatte. In der Ungeräumten Zone war es zu Anfang genauso gewesen. Die Begegnungen mit Mimints und der schnelle Lebensstil bei Sylvies Schleichern hatte diese Träume zugunsten von konventionelleren Flucht- und Kampfszenarien verdrängt, die sich mit dem Gebrabbel meines gespeicherten Bewusstseins vermengt hatten.
    »Sie sind wach«, bemerkte Grabung 301 und nahm am

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