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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Viertel aus?«, fragte Brett.
    »Klar. Sehen Sie den Sammlerladen dort drüben? Da gibt es Medienkrimskrams, hin und wieder kaufe ich dort alte Verpackungen.«
    »Wow«, wunderte sich Brett, »ich hab mich immer gefragt, was für Leute in diesem komischen alten Laden wohl einkaufen würden ...«
    Brett betrat ein dunkles, winziges Geschäft, ein Loch in der Wand mit einer Rotholzfront. Dort gab es Teppiche, Decken und billigen Schmuck. Mia war in ihrem ganzen Leben noch nicht in einem solchen Laden gewesen. In der Luft hing ein kräftiger, nahezu erstickender Geruch nach Vanillespray. Die Wände waren mit tiefgrünem Moos überwachsen.
    Auf der Glasfläche der Ladentheke schlief eine Tigerkatze, alle Viere von sich gestreckt. Menschen waren keine zu sehen. Brett steuerte schnurstracks auf ein Kleidergestell in einem Winkel zu. »Schauen Sie ... das ist von mir.«
    »Das alles?«
    »Nein, nicht alles«, sagte Brett, eifrig in den Kleidern wühlend, »aber das ist von mir und das da und das da ... Das heißt, von mir stammt der Entwurf, Griff hat ihn umgesetzt.« Aus der Zornesfalte auf Bretts ansonsten glatter Stirn schloss Mia, dass Griff ihr Freund war. »Mr. Quiroga, der älter ist als wir, ist der Besitzer. Wir haben eine Art Vereinbarung mit ihm.«
    »Die Entwürfe sind sehr interessant«, meinte Mia. Sie waren ausgesprochen eigenwillig.
    »Gefallen sie Ihnen wirklich?«
    »Aber sicher doch.« Mia nahm eine rote Jacke vom Bügel. Sie war aus bauschigem, gesponnenem Plastik und fühlte sich an wie eine Mischung aus Leder, Segeltuch und weicher Kaumasse. Der Großteil der Jacke war bonbonrot, doch an Ellbogen, Kragen und Saum waren große dunkelblaue Flicken angebracht. Sie hatte eine Menge Taschen mit dicken Knöpfen und eine wasserdichte rote Kapuze, die im dicken Kragen untergebracht war.
    »Sehen Sie, wie gut sie die Form hält?«, prahlte Brett. »Außerdem benötigt sie nicht einmal Batterien. Das kommt alles vom Schnitt und vom Material. Und vom Elastizitätsmodul der Faser.«
    »Woraus besteht sie?«
    »Aus Elastomeren und Polymeren. Und ein wenig Webkeramik für die beanspruchten Teile. Sehen Sie, man kann die Jacke bei jedem Wetter tragen, genau das Richtige für eine Reise! Probieren Sie sie mal an!«
    Mia steckte die Arme in die wattierten Ärmel. Brett zupfte an den Schultern, dann schloss sie den Reißverschluss bis ans
    Kinn. »Passt großartig!«, erklärte Brett. Davon konnte keine Rede sein. Mia hatte das Gefühl, man habe sie in einen monströsen Obstkuchen gestopft.
    Mia trat vor einen schmalen Ganzkörperspiegel, der in einem anderen Winkel untergebracht war. Darin erblickte sie eine Fremde in einer grellbunten Jacke. Maya, die Lebkuchenfrau. Sie setzte die Sonnenbrille auf. Mit der Brille wirkte sie bei der düsteren Beleuchtung beinahe jung - wie eine sehr müde, aufgedunsene, kränkliche junge Frau in einer grotesken Kinderjacke. Mit unglaublich adretten, konservativen Hosen und Schuhen.
    Mia fuhr sich durchs Haar, schüttelte den Kopf und zerstörte dabei ihre Frisur.
    »So ist es besser«, sagte sie mit Blick in den Spiegel.
    Brett lachte überrascht.
    »Eine wirklich hübsche Jacke. Was brauche ich eigentlich sonst noch?«
    »Bessere Schuhe«, meinte Brett ganz ernsthaft. »Einen Rock. Lange Ohrringe. Keine Handtasche, stattdessen einen Rucksack. Echten Lippenstift, nicht dieses medizinische Zeugs für kleine alte Damen. Nagellack. Haarspangen. Halsketten. Keinen Gürtel. Keinen BH, wenn’s irgend geht. Und vor allem keine Uhr.« Sie zögerte. »Und schwenken Sie beim Gehen ein bisschen mehr die Hüften. Legen Sie ein wenig Schwung hinein.«
    »Das ist schon eine ganze Menge.«
    Brett zuckte die Achseln. »Wenn man lebendig wirken will, kommt es vor allem darauf an, was man nicht kaufen und nicht tun darf.«
    »Für diese Art Leben habe ich nicht mehr die richtigen Wangenknochen«, sagte Mia. »Ich rede zu langsam. Ich gestikuliere nicht genug. Ich kichere nicht. Würde ich zu tanzen versuchen, hätte ich eine Woche lang Schmerzen.«
    »Sie brauchen nicht zu tanzen. Wenn Sie wollen, mache ich einen richtig lebendigen Menschen aus Ihnen. Darin bin ich ziemlich gut. Dazu habe ich Talent. Das sagt jeder.«
    »Ich bin sicher, dass Sie das könnten, Brett. Aber weshalb sollte ich es wollen?«
    Brett wirkte geknickt. Es versetzte Mia einen Stich, das Mädchen enttäuscht zu haben. Es war, als habe sie auf der Straße ein kleines Kind geohrfeigt. »Ich will die Jacke haben«, sagte Mia. »Sie

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