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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über Wildwasser und Plateaus nach Petrowna.
    Hilde, die diese letzte Nacht gefürchtet hatte, erwies sich als eine tapfere kleine Frau; sie umsorgte ihren Heinz, hatte einen großen Braten gekauft, allerdings unter Ausnutzung des schwarzen Marktes, hatte sogar einen Pudding gekocht und eine Dose mit jungen Erbsen und Karotten erstanden. Ein Festmahl sollte es werden, eine richtige Abschiedsmahlzeit. Während sie am Herd in der Küche stand und den Braten übergoß, mußte sie gewaltsam die Tränen zurückhalten.
    Heinz saß in sich gekehrt im Speisezimmer, als Hilde die Speisen auftrug, den Blumenstrauß mit frischen Frühlingsblumen in die Mitte rückte und auf jeden Teller ein Stück Braten legte.
    »Möchtest du nicht essen, Schnöselchen?« fragte sie. »Der Braten wird kalt, und das Gemüse habe ich sogar mit guter Butter angemacht.«
    Heinz lächelte schwach. Was wäre er in dieser verworrenen Welt ohne dieses Mädchen? Wie einsam stünde er inmitten des Chaos ohne ihr liebendes Herz. Er wollte dem Schicksal für jede Stunde dankbar sein, die es ihn an ihrer Seite verleben ließ.
    »Ich komme«, sagte er. »Ich komme.« Und fügte leise hinzu: »… auch wenn meine Füße wie aus Blei sind …«
    Wortlos saßen sie dann am Tisch und aßen. Wortlos räumte Hilde das Geschirr ab und trug es in die Küche, während Wüllner mit langsamen Schritten in das Herrenzimmer ging und sich auf die Couch legte, den Kopf weit zurück in die Kissen, die Augen geschlossen. Mit der Rechten stellte er das neben der Couch stehende Radio an und ließ dann die Hand schlaff zu Boden hängen, müde, resignierend, als wolle er sagen: Was auch kommen mag, ich wehre mich nicht.
    Da schwebten leise Töne einer Oper durch den Raum. Eine süße Melodie klang auf, ein Song der ewigen Liebe.
    Boheme … Puccinis süße Oper gaukelte durch die Finsternis. Eine Stimme sang, deren Schmelz vergessen ließ, daß es ein Mensch war, von dem die herrliche Melodie kam. Gigli, der Tenor der Liebe, zauberte eine Welt des Reinen in den Alltag des Grauens …
    Wüllner rührte sich nicht, lang ausgestreckt lauschte er der Musik, die ihn wie ein Elfenreigen umtanzte. Das war seine Welt, die Welt des Gefühls, die Welt der Hoffnung, der Einkehr, der seelischen Besinnung. Draußen aber lauerten der Tod, das Chaos, die Sinnlosigkeit. Welch Zwiespalt der Menschen! Welch Gegensatz der Gefühle. Ja, es lohnte sich zu leben, wenn das Herz sprechen durfte.
    Heinz hielt es nicht mehr auf seiner Couch. Er sprang auf, eilte zum Schreibtisch, riß ein Blatt Papier heraus, einen Bleistift und begann im schwachen Schein der Radioskala zu schreiben.
    So traf ihn Hilde an, als sie aus der Küche in das Herrenzimmer trat. Leise, um ihn nicht zu stören, setzte sie sich in die Ecke, zog in dem breiten ledernen Sessel die Knie nahe ans Kinn und beobachtete die Hände des Geliebten, die wie rasend über das Papier fuhren.
    Endlich legte Heinz den Bleistift hin, blickte auf und atmete tief.
    Leise erhob sich Hilde, stellte das Radio leise, ging auf Heinz zu und setzte sich neben ihn auf die Couch. Er küßte sie und las ihr vor, was er im Überschwang des Gefühls und in wehmütiger Abschiedsstimmung geschrieben hatte:
    Noch kam nie aus meinem Munde,
wenn ich liebend dich umfing,
meines Herzens tiefste Kunde,
was du bist und was ich bin.
    Nie verrieten meine Blicke
heimlich dir den höchsten Preis,
doch im Wandel der Geschicke
sollst du wissen, was ich weiß.
    Jene nahe letzte Stunde,
das Erlebnis meiner Welt,
riß es endlich aus dem Grunde,
das Geständnis, das mich hält.
    Wie ich einst verzweifeln wollte
und mein Leben leicht verwarf,
auch dem Heiligsten noch grollte,
so ein Herz es nimmer darf.
    Wenn ich diese Welt verfluchte,
wandte ich mich ab von dir,
doch als ich nach Leben suchte,
stand ein Engel stolz vor mir.
    Und ich sah in seinen Augen
dieser Hoffnung hellen Schein,
wer kann unsre Zukunft rauben,
so du lächelst: Bleibe mein.
    Düster schlich der Tod zur Seite,
gab den Weg der Sehnsucht frei,
blickst du in des Himmels Weite,
ist es wie ein Sternenschrei.
    Noch kam nie aus meinem Munde,
wenn ich liebend dich umfing,
meines Herzens tiefste Kunde,
was du bist und was ich bin.
    Neu geboren für die Liebe
sollst du wissen, wie es ist,
du hast mir die Welt gegeben,
weil du unser Leben bist.
    ›Geständnis‹ nannte Heinz diese Verse, schlicht nur ›Geständnis‹, doch waren sie mehr: Sie waren der Glaube an das, was im Menschen verborgen liegt, ein Aufruf, sich

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