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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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emporzuschwingen aus dem Allgemeinen. Ein flammender Schrei: Hilf mir, die Zukunft zu ertragen.
    Hilde hob langsam die Arme, umarmte Heinz, zog seinen Kopf zu sich herunter auf ihre Brust.
    »Ich habe dich lieb … so lieb …«, flüsterte sie.
    »Und was ist morgen?« flüsterte er rauh zurück.
    Da drückte sie ihn ganz fest an sich.
    »Morgen werden wir reif sein für das Leben …«
    Am Morgen stand Hilde auf dem Anhalter Bahnhof am Zug nach Wien, hielt die Hand Heinz Wüllners fest, der sich weit aus dem Fenster lehnte und sagte zu ihm:
    »Aber wenn du schreibst, dann nicht wieder nur alle zwei Monate! Ich hab' keine Lust, mir von Oma Bunitz die Karten legen zu lassen, daß du ein Hallodri bist! Wenn du schon schreibst, dann jede Woche einmal!«
    Wüllner lachte. Die Offiziersmütze hatte er schief auf dem Kopf, so daß man befürchtete, bei jeder Kopfbewegung könnte sie zu Boden fallen.
    Er streichelte Hilde die Wangen. »Ich verspreche dir: jede Woche ein Brief!«
    Der Mann mit der roten Mütze erschien. »Einsteigen. Türen und Fenster schließen!« brüllte er gewohnheitsmäßig über den Bahnsteig, obwohl er wußte, daß keiner auf ihn hörte. »Zurücktreten!«
    Heinz drückte Hilde die Hand.
    »Bekomme ich noch einen Kuß?«
    »Nimmersatt!«
    Aber Hilde stellte sich doch auf die Zehen und spitzte die Lippen.
    »So. Nun ist Schluß bis zum nächsten Urlaub!«
    Der Zug ruckte an, setzte sich in Bewegung. Taschentücher flatterten, Schluchzer waren zu hören, und irgendwo rief eine helle Kinderstimme:
    »Komm bald wieder, Papi!«
    Hilde ging neben dem langsam anfahrenden Zug her, ihre Hand noch immer in der Wüllners. Jetzt mußte sie schon ein wenig laufen, aber sie ließ die Hand nicht los. Keine Träne blinkte in ihren Augen, keine Trauer – nur eine krampfhafte Lustigkeit flackerte im Blick.
    Heinz sah sie an.
    »Du bist eine tapfere Frau, Hilde … Ich werde in Gedanken immer bei dir sein.«
    Da ließ sie seine Hand fahren, der letzte Satz schnürte ihr die Kehle ab. Der Zug ruckte schneller an, die Kolben drehten sich, weißer Qualm erfüllte die Halle … und da auf einmal wußte Hilde, was sie zu tun hatte, wo ihre Zukunft lag, ihr Leben für sich und Heinz.
    Im Laufschritt lief sie jetzt neben dem Wagen her, aber der Zug war schneller, immer weiter entfernte sich das Fenster, aus dem sich Heinz lehnte und mit seiner Mütze winkte … Da blieb Hilde stehen, winkte, winkte … und während sie zu lächeln versuchte, schrie sie in den weißen Qualm, durch Menschen hindurch, über Pfeifen und Stampfen hinweg mit heller, klarer Stimme:
    »Heinz … Heinz … wir sehen uns wieder, bald sehen wir uns wieder …«
    Und leise, ganz leise: »Heinz … ich muß dich wiedersehen …«

9
    Monate gingen dahin. Die Zeit eilte mit Sturmschritten voran, das Grauen des Krieges und die Berge des Leides wuchsen bis ins Unendliche. Bomben hagelten vom Himmel, Brandsätze zischten auf den Hausdächern – und kroch man aus den Kellern hervor, atmete man ein wenig auf, so sah man auf dem Kalenderblatt bereits das Ende des gerade erst begonnenen Monats. Man schüttelte den Kopf, meinte, bei diesem Tempo müßte der Krieg sich einmal totlaufen wie der Hase beim Swinegel – doch reihten sich die Daten aneinander, schrie die gemarterte Erde weiter auf und wand sich in den Wehen eines vom Wahnsinn ausgebrüteten Krieges.
    Auch Heinz Wüllner wurde vom Sturm der Zeit hin und her geworfen, er erlebte die Rückzüge in Griechenland und aus dem Balkan und die italienische Tragödie – wie die deutsche Presse schrieb –, fuhr die französische Küste ab, sah die Werke des Atlantikwalls, bereiste Norwegen, fuhr auf einem Kanonenboot über den Narvikfjord, blickte in das Nordlicht vom Hammerfest und kämpfte gegen die Engländer im Bunkersystem an der Erzbahn am majestätischen Eismeer. Weiter – immer weiter verschlug ihn das Schicksal. Neben ihm marschierte der Tod, grinste, rieb sich die Hände und wartete auf seine Zeit. Die Front in Rußland ging zurück, Polen wurde der Schauplatz erbitterter Schlachten, und noch einmal verbannte das Schicksal den Kriegsberichter Heinz Wüllner in die Öde der östlichen Sümpfe und Wälder.
    Es war bei Orscha, an der Rollbahn nach Smolensk, als Heinz Wüllner eines Nachts mit einem Spähtrupp ausrückte, der sich durch die spärlichen Büsche den Stellungen der Russen näherte, die seit Tagen mit einem unerhörten Aufgebot an Menschen und Panzern den Durchbruch zur Bahnlinie

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