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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hilde, ging er im Graben auf den alten MG-Stand zu und lehnte sich schwer an die zerwühlte Brüstung.
    »Hier hat's mich gepackt! Und dort, rechts und links, brachen sie durch … Richtung St. Vith. Vor uns liegen Negertruppen. Hinter uns ist der Ring geschlossen … Wir sind also eine kleine, aber scharfe Klippe. St. Vith ist geräumt … bleibt nur noch der Ausweg in die Eifel … Ziel Schleiden … Urfttalsperre … später Euskirchen … Und dort, Hilde, dort irgendwo muß eine Lücke sein, ich fühle es; ja, es ist, als sehe ich sie vor mir.«
    »Leutnant Wirtz will aber nicht Opfer in der letzten Stunde …«
    Heinz Wüllner unterbrach sie mit einer Handbewegung: »Ich spreche nicht von einem Ausfall, der sicher sinnlos wäre, sondern ich spreche von dir. Du mußt zurück zu den deutschen Truppen. Deinetwegen stehe ich hier. Du mußt dich retten!«
    »Ich gehöre zu dir … zum Vater meines Kindes.«
    Wie vom Blitz getroffen fuhr Heinz herum. Dabei ging ein solch stechender Schmerz durch die Wunde, daß er das Gesicht verzog.
    »Vater … deines … Kindes …«, stammelte er. »Hilde … Hilde … das ist …« Er verstummte und starrte sie an.
    Hilde sah ihm fest in die Augen.
    »Die letzte Nacht in deinem Sonderurlaub … ich wußte es sofort … ich mußte es ja spüren … und dann wurde es nach drei Wochen zur Gewißheit … wir werden bald zu dritt sein.«
    »Wann?«
    »Im Juli. Noch fünf Monate …«
    »Und du hast mir nie etwas davon geschrieben …?«
    »Ich wollte dich selbst überraschen. Du solltest dich nicht so gebunden fühlen. Du brauchst das Gefühl der Unabhängigkeit … es wäre immer noch früh genug gewesen.«
    »Und warum sagst du es mir gerade heute, gerade jetzt?«
    »Weil du mich fortschicken willst.«
    Wüllners Backenknochen standen auf einmal merkwürdig hervor, seine Kinnladen bewegten sich hin und her. Streng, unnahbar streng sah sein Antlitz aus.
    »Du mußt fort! Du mußt heraus aus dem Kessel – am besten mit einem Meldegänger; so wäre es noch zu schaffen.«
    »Nein!«
    »Du trägst ein Kind unter dem Herzen. Unser Kind. Ein Kind, das einmal nichts von Krieg und Grauen wissen soll! Dieses Leben zwingt dich zur Verantwortung, zum Handeln. Du mußt dich retten, diesem Leben zuliebe.«
    »Mein Platz ist an deiner Seite. Du bist der Vater. Was soll ein Kind ohne dich? Wo du stehst, da stehe ich, da steht auch dein Kind! Du kannst mich nicht von dir jagen, weil du Angst hast, diese Erde könnte unser Grab werden. Stirbst du, so sterbe ich mit … und unser Kind … wenn es sein muß.«
    Sie hatte Tränen in den Augen.
    So fest packte er Hilde an der Schulter, daß sie unter diesem harten Griff leise aufstöhnte.
    »Bist du eine Mutter? Sag, bist du eine Mutter? Du trägst das Schicksal, du allein – nicht ich. Ich bin in diesem Augenblick nichts mehr wert, ich habe das Leben ausgelebt, ich bin verdorrt, ein Skeptiker, der lächelnd dem Tod die Sense hält … Aber du bist das Neue … da, in deinem Leib trägst du es. Dein Leben erhält jetzt einen Sinn, während das meine zusammenbricht. Ich habe mich vollendet im Untergang … Du wirst dich vollenden in unserem Kind …«
    »Aber mein Leben ist wertlos ohne dich!«
    Hilde schrie es in den dämmernden Morgen hinaus.
    Da löste Wüllner seine Finger von ihrer Schulter und trat zurück.
    »Du mußt erkennen lernen, wo deine Pflichten liegen! Du bist jetzt der Kreislauf des Lebens: Aus dem Tod des einen ersteht das Leben des anderen … und dieser wird wieder zur Erde werden, um aufzustehen in seinen Kindern … Du bist jetzt mehr als eine Mutter, mehr als eine Frau … In dir ist der Sinn des Daseins. Das ewige Leben.«
    Er beugte sich über sie und küßte sie lange auf den Mund, der salzig schmeckte von den Tränen.
    »Du mußt dich retten, dich und das Kind … für mich …«
    Hilde konnte keine Antwort geben. Unendlich fern schien ihr der ganze Krieg. Sie sah nicht das Schlachtfeld, die zerborstenen Pfeiler des Bunkers, die Toten in den Löchern, über die die Ketten der Panzer gerollt waren und die Leiber in die Erde gedrückt hatten.
    Sie sah nicht die Maschinengewehre um sich, die verstreut fortgeworfenen Panzerfäuste und das Gewirr von Fleischfetzen und Eisen, Überreste einer Trägergruppe, die hier von einer schweren Granate überrascht wurde.
    Sie sah nur das Gesicht Heinz Wüllners, hart, entschlossen zum Letzten, und diese Augen, diese blauen, sonst so gütigen Augen, die heute so hart, so schmerzhaft hart

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