Heimkehr
c h weiß n i cht, wann ich je wieder einen ungestörten Moment für m i ch haben werde. Und ich verfluche die Künstlerin in m ir. Denn jedes Mal, we n n ic h z u den Sonnenstrahlen hinaufsehe, die vereinzelt durch das Gewirr der Zweige und Blätter dring e n, erkenne ich die wilde Schönheit dieses Ortes. Würde ich me inem Gefühl nachgeben, so fürch t e ich, könnte meine U m gebung ebenso verführer i sch auf mich wirken wie der begehrliche Blick eines urwüchsigen Mannes…
Wie komme ich nur auf solche Gedanken! Ich will einfach nur nach Hause.
Und irgendwo weit über uns prasselt der Regen auf die Blätter herab.
Tag vierundzwanzig des Pflugmondes
Im vierzehnten Jahr der Regentschaft des hochherrschaftlichen und Erhabenen Satrapen Esclepius
Ich bin lange vor Tagesanbruch aus dem Schlaf hochgeschreckt und wurde aus ein e m sehr lebhaften Traum gerissen. Ich träumte gerade von einem fre m d artigen Straßenfest, als ich das Ge f ühl hatte, d i e Erde unter uns würde zur Seite wegkippen. Als die Sonne schon weit oben an dem unsichtbaren Himmel s t ehen musste, zitterte der Boden erneut unter unseren Füßen. Der Erdstoß breitete sich wie eine Welle durch die Regenwildnis um uns herum aus. Ich habe schon anderswo Be b en erlebt, aber in dieser unwirtlichen Gegend kommen m ir die Erdstöße stärker und bedrohlicher vor. Man kann sich sehr leicht ausmalen, wie der m oorige Boden uns ebenso leicht verschlingt, wie ein gelber Karpfen einen Brotkrumen schluckt.
Obgleich wir tiefer ins Land e sinnere vordringen, bleibt der Boden unter unseren F ü ßen su m p fig und t ü ckisch. Heute fand ich m ich Aug in Auge m i t einer Schlange wieder, die sich von einem Gewirr aus grünen Zweigen herabhängen ließ. Mein Herz s c hien in e i nem Schraubstock gefangen, gebannt sowohl durch die Schönheit des Tieres als auch durch mei n e Furcht. Nach einer kurzen Betrachtung me iner Person zog sie s i ch m it einer unglaublichen Leichtigkeit zurück und set z te ihre Reise in den verschlungenen Zweigen über uns fort. Was würde ich nur darum geben, dieses Land e b enso m ühelos durchqueren zu können!
Tag siebenundzwanzig des Pflugmondes
Im vierzehnten Jahr der Regentschaft des Hochherrschaftlichen und Erhabenen Satrapen Esclepius
Ich schreibe dies, während ich in einem Baum hocke wie einer dieser bunten Papageien, die sich m it m ir den Platz auf dem Ast teilen. Ich komme m ir albern vor, füh l e m i ch jedoch gleichzeitig beschwingt, trotz des Hungers, des Durstes und der Erschöpfung, die an m ir zehren. Vielleicht ist dieser Rausch eine Nebenwirkung des Hungers.
Wir m ühen uns jetzt seit fünf Tagen m ü hselig üb e r den weichen Boden und du r ch das dichte Unterholz. Wir lassen den Fluss hinter uns und suchen trockeneren Boden. Einige aus unserer Gruppe protestieren gegen diese Entscheidung und wenden ein, dass uns h i er das versprochene Nachschubschiff nicht f i nden kann, wenn es im Frühling kom m t. Ich schweige, bezweif l e insg e h eim jedoch, dass je noch einmal ein Schiff aus Jamailliastadt diesen Fluss hinaufsegeln wird.
Auch der Marsch ins Landes i nnere verbessert unser Los nicht. Der Boden un t er uns s c hwankt nach wie vor, und es bleibt feucht. Wenn unsere Gruppe eine Stelle passiert hat, lässt sie eine tiefe Spur aus aufgewühltem Schlamm und stehendem Wasser zurück. Die Feuchtigkeit verätzt uns die Füße und zerfrisst den Stoff me iner Röcke. Wir Frauen gehen m ittlerweile alle m it geschürzten Röcken.
Wir haben alles zurückgelassen, was wir nicht m i tnehmen konnten. Jeder von uns tr ä g t so viel wie er kann, ganz gleich, ob Mann, Frau oder Kind. Die Kleinen werden rasch m ü de. Und ic h spüre, wie das Kind, d a s in m ir wächst, m i t jedem Schritt schwerer wird.
Die Männer haben ein Kon z il gebildet, das über uns bestimmen soll. Jeder Mann, d e r dort h i neingewählt wurde, verfügt über eine gleichberec h tigte Stimme. Ich halte diese Missachtung der na t ürlichen O r dnung für gefährlich, aber die entrechteten A d ligen entraten je d er Möglichkeit, ihr Geburtsrecht auf Herrschaft du r chzusetzen. Jathan hat mir unter vier Augen nahe gel e gt, widerspruchslos hinzunehmen, was hier geschieht. Seiner Meinung n a ch würde unsere Co m panie schon bald erkennen, dass einfache Bauern, Taschendiebe und Abenteu r er nicht befäh i gt seien, uns zu führen. Bis dahin m üssten wir uns ihren Regeln fügen. Das Konzil hat die
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