Heimkehr
nicht, wie lange er noch durchhält. Retyo glaubt, dass Petrus Olpey vielleicht dazu überreden könnte, die Tür zu öffnen. Tremartin und Chellia ka me n gemeinsam zu uns, um uns um diesen Gefallen zu bitten.
Ich konn t e die Verzweiflung in den Augen meiner Freund i n nicht länger übersehen und schä m te m ich dafür, es überhaupt so lange getan zu haben. Ich wandte mich m it der Bitte an Jathan, uns a lle zusammen zu dem Jung e n gehen zu lassen und ihn zu überreden versuchen, hinauszukommen. Dann würden wir gemeinsam weggehen. Ich versuchte sogar, ihn m it Ve r nunft zu überzeugen, als ich darauf hinwies, dass wir in e i ner größeren Gruppe in d e r Rege n wildnis eher überleben würden, als wenn wir mit unseren Söhnen allein gingen.
Er rief mich weder zur Seite noch senkte er seine Stimme, als er zu wissen verlangte, warum er seinen Sohn und Erben für das Wohl des Babys einer einfachen Wäscherin aufs Spi e l setzten solle. Dazu noch einer, die wir nicht ei n m al als Dienstbotin beschäftigen würden, wären wir noch in Ja ma illia. Er tadelte m i ch, weil ich zugelassen hätte, dass Petrus sich m it solch einem ge me inen Burschen abgegeben hab e . Dann sagte er laut und deutlich, ich würde m i ch sehr irren, wenn ich ihn für einen Narren hielte, der nichts von Retyo wusste. Es folgt e n viele abscheuliche Unters te llungen, was für eine Hure ich wäre, einen Gemeinen in das Bett zu holen, das von Rechts wegen einem Lord zustände. Und was m ir einfiele, hinter seinem Rücken einen niederen See m ann dabei zu unterstützen, Anspruch auf die Führerschaft der C o mpanie zu erheben.
Ich will nicht noch weitere seiner beschämenden Anschuld i gungen w i ederholen. In Wahrheit weiß ich nicht ei n m al, warum er noch die M a cht hat, mir Tränen zu entlocken. Zu guter Letzt je d och trotzte ich ihm. Als er verkünde te , ich m ü sse ihm jetzt fo l gen oder brauche es nie wieder zu tun, erwiderte ich: »Ich werde dir nie mehr folgen. I c h bleibe hier und helfe Chellia. Mich kümmert nicht, welche Arbeit sie einmal verrichten m usste. Hier jedenfalls ist sie me ine Freund i n geworden.«
Meine Entscheidung hat m i ch einen hohen Preis gekostet. Jathan nahm Petrus m it sich. Ich sah, wie zerrissen mein Ältester war, aber er w o llte m it seinem Vater fliehen. Ich konn t e es ihm nicht vorwerfen. Carl m in ließ Jathan dafür zurück. Mein a r mseliges Urteilsver m ögen, so sagte er, habe seinen zweiten Sohn in einen Schwachsinnigen und ein Monstrum verwandelt. Carl m in hatte den Verband losgekratzt. Die Schuppen auf seiner Braue und seinen Wangenknochen waren deutl i ch zu sehen. Mein kleiner Junge zeigte keinerlei Regung bei den Worten seines Vaters, zuckte nicht ei n m al m i t der Wi m p er. Ich gab Petrus einen Abschiedskuss und versprach, dass ich ihm sobald als m öglich folgen würde. Hoffentlich kann i c h dieses Versprechen auch halten. Jat h an und Petrus haben so viel von uns e r en Vorräten m itgenommen, wie sie tragen konnten. Falls Carl m in und ic h ihnen folgen, h a ben wir nicht viele Le b ens m ittel, bis wir wieder zu ihnen stoßen.
Jetzt pac k e ich dieses kleine Buch ein und stecke es mit Feder und Tintenfass in die kleine Tragetasche, die Jathan m ir gelassen hat. Zusammen m it Material für Fackeln und zum Entzünden von Feuer. W e r weiß, wann ich wieder dazu komme, etwas einzutragen? Wenn i hr das les t , meine Eltern, dann wisset, dass ich euch bis zu meinem Tod geliebt habe.
Tag neun der Stadt, glaube ich.
Jahr eins der Regenwildnis
Wie albern und melodramatisch m ir mein l e tzter Eintrag jetzt vorkommt.
Ich kritzele dies hastig nieder, bevor das Licht wieder erlischt. Meine Freunde warten geduldig auf m ich, obwohl Chellia es dumm findet, dass ich jetzt unbedingt etwas niederschreiben will.
Weniger als zehn Tage sind v e rstrichen, seit ich diese Stadt das e rste Mal gesehen habe, aber sie scheint um Jahre gealtert. Die Spuren vieler sch m utziger Füße waren unübersehbar, als wir eintraten, und überall bemerkte ich Zeichen der Verwüstung dur c h die Schatzsucher. Wie wütende Kinder haben sie alles zerstört, was sie nicht tragen konnten, brachen Fliesen aus Mosaiken, trennten Glied m aßen von S t atuen ab, d i e zu groß waren, um sie m itzuschleppen, und versc h wendeten schöne alte Möbel als Feuerholz. So viel Angst m ir die Stadt auch einflößt,
betrübt es m ich dennoch, m it ansehen zu m ü ssen, wie s i e geplündert und
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