Heimkehr der Vorfahren
den Kopf und verließ den Raum. Sein Gesicht war wie versteinert.
Zwei Stunden irrte er durch den Park, in düstere Gedanken verstrickt. Hatte er eine Ehe auseinandergebracht? Warum hatte Vena ihm nicht gesagt, daß sie verheirate! war?
Allmählich reifte in ihm ein Entschluß. Er bat die Genossen der Expeditionsleitung zu einer Beratung in seine Wohnung.
Romain trug das Gespräch mit Sajoi vor. »Ich liebe die Frau, wußte nicht, daß sie einen Mann hat, hatte bisher keinerlei…« Er verstummte. Inoti blickte sich in der Runde um, erhob sich, baumlang und breitschultrig, und schüttelte den Kopf.
»Was bedeutet das, George? Sollen wir dir bestätigen, daß du unschuldig bist? Legen wir neuerdings unsere intimsten Gefühle auf den Seziertisch und zerschneiden sie mit dem Skalpell übler Nachrede?«
»Dieser Vorfall kann Folgen haben für uns alle«, sagte Romain. »Ich mußte euch unterrichten.«
Die Männer schwiegen.
»George hat recht«, sagte Sundberg. »Wir sind wie ein Hautlappen, der transplantiert werden soll – entspricht er physiologisch nicht dem Körper, stößt er ihn ab.«
Nasarow wandte sich an Inoti. »Sajois Verhalten beweist, daß wir teilweise mit Mißtrauen beobachtet werden. Deshalb ist es gut, wenn uns George informiert und mit uns beraten will, was nun geschehen soll.«
»George war leichtfertig«, sagte Sundberg, »er hätte sich vorher erkundigen müssen.«
Inoti lachte, daß seine Schultern bebten. »Ehe ich mich unterstehe, Ihre Lippen zu berühren, Teuerste – haben Sie schon einen anderen?«
Timàr pflichtete ihm bei. »Erklären wir doch ab sofort sämtliche Betreuerinnen zu Neutren, und befragen wir sie aufs peinlichste, ob sie sich dennoch einem Maskulinum angelobten. – Bleibt vernünftig! Allerdings erscheint es mir notwendig, den heutigen Zeitgenossen zu beweisen, daß wir ihre Sitten respektieren.«
»Auch wenn wir sie nicht kennen?« fragte Inoti. »Sag, George, was erwartest du von uns?«
»Wir müssen mit Vena Rendhoff zusammenarbeiten, wir können nicht auf sie verzichten. Ich aber – laßt mich gehen, Genossen. Ich muß erst Abstand gewinnen.«
»Gehen – wohin denn? Jetzt, wo die Ausreißer zurückkommen, wo wir mit dem Elementarstudium beginnen wollen?«
»Ich habe einen Vorlauf«, sagte Romain, »Vena hat mich in vielem unterrichtet. Ich weiß mir schon zu helfen.« »George, überleg doch, du bist ideologischer Leiter«, mahnte Nasarow. »Du hast selber an der Debatte im Astronautischen Rat teilgenommen. Wenn du jetzt auch verschwindest…«
»Ihr könnt mich delegieren, meinetwegen zum Studium, könnt mich beauftragen, bestimmte Dinge aus eigener Anschauung kennenzulernen, festzustellen, wo die Grenze unseres Wissens liegt, ob man das Studienprogramm kürzen oder erweitern muß. Irgendeine Begründung läßt sich doch finden.«
Am folgenden Morgen kehrte Vena vom Forschungsrat zurück. Dieser Tag sollte George gehören. Sie wollte mit ihm wegfahren, in die Berge, an den See, wohin er wollte. Schnell erfrischte sie sich, kleidete sich sorgfältig um, trat vor den Spiegel und musterte sich kritisch.
Ob er mit mir zufrieden war?
Es klopfte. George? Noch einen Blick auf die Frisur, dann ging Vena zur Tür und öffnete.
Vor ihr stand Pala.
Vena wies wortlos auf einen Sessel. Schweigend ging sie einige Male auf und ab. »Weshalb hast du nicht angerufen?« fragte sie schließlich.
»Das läßt sich doch am Telefon schlecht…«
»Bei mir gibt es keinen Zwischenfall – das stammt von dir!« rief Vena, und in ihren Worten lag die Bitternis der letzten Wochen. »So kann man sich auf dich verlassen. Was hast du dir gedacht? Keiner kennt Staffords Psyche so wie Pala Benari, versicherte ich kürzlich dem Astronautischen Rat, keiner versteht ihn so gut, keiner weiß so genau, was für ihn notwendig ist. Und du läßt ihn im Stich, richtest ihn zugrunde, daß er im Hospital liegt und ins Hochgebirge geschafft werden muß. Isoliert von der Gegenwart, die er nicht mehr erträgt. Eine Ruine! Und er läßt sich nicht einmal mit unseren Methoden behandeln – soviel Vertrauen zur Gegenwart hast du ihm eingeflößt.«
Pala war verstört. »Das habe ich nicht gewollt«, sagte sie leise.
»Gewollt oder nicht – wie war das möglich?« Venas erster Zorn war verraucht. Sie setzte sich.
Pala begann zu erzählen. »Begreif doch, Vena, er hat mich als Besitz betrachtet. Bin ich ein Objekt, das seinen Bedürfnissen dient? Ich halte das nicht aus. Was würde er sagen, betrachtete ich
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