Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Freunde hoch im Norden am Missouri ließen vor dem inneren Blick des Farmersohnes weitere Bilder vorüberziehen. Er glaubte wieder, wie an jenem Dezembermorgen, mit dem Vater auf den Präriehügel zu reiten, der der gewohnte Aussichtspunkt des alten Adams war, um Wetter und Viehherden zu beobachten und etwaige Wolfsrudel oder Banditen zu entdecken. An jenem hellen Morgen hatten Adamson und sein Sohn Adam Adamson plötzlich Baracken in der Ferne erkannt. Eine war fertig, wie über Nacht aus dem Boden gewachsen, andere wurden gebaut. »Gottes Fluch«, hatte der Alte gesagt und die Fäuste geballt, »das sind die Landhaie!« Dann kamen die Verhandlungen, die erbitterten Streitigkeiten, der Hohn der Eindringlinge gegen den unwissenden Bauern, der wirklich glaubte, das Land gehöre ihm, weil er es von den Dakota mit seinem mühsam erworbenen Geld in einem ehrlichen Vertrag gekauft und weil er es mit seiner Hände Arbeit urbar gemacht hatte. In den Baracken saßen Regierungskommissare, die von der Bildung eines neuen Bundesstaates in dem bisher »herrenlosen« Lande berichteten. Das Recht der Dakota auf ihre Heimat schien vor diesen Kommissaren ebensowenig zu existieren wie das Recht des alten Farmers. Die Regierungsvertreter tauschten Blicke innigen Einverständnisses mit den Vertretern der Grundstücksgesellschaften, die ihnen am schmalen Tisch gegenübersaßen, und Vater Adams war sich im Zweifel, wer das Wuchern besser verstehe, die Grundstücksspekulanten oder die Kommissare; sie schienen beide Meister darin zu sein. Die Regierung hatte der kapitalkräftigen Gesellschaft riesige Ländereien billig zugeteilt. Der Farmer aber sollte sehr teuer bezahlen, wenn er auf seinem Grund und Boden bleiben wollte. Es wurde von einem Bahnbau gesprochen, der den Grundstückswert noch ins Ungemessene treiben könne. Landmesser kamen und steckten, ohne zu fragen, Felder ab auf den Wiesen, auf denen das Vieh der Familie Adams seit vierzehn Jahren weidete. Der alte Adams verjagte die Landmesser mit seinem Schießprügel. Aber im Herbst würden sie wiederkommen, wenn der Farmer nicht gezahlt hatte. Darum hatte der junge Adams seinen Braunen gesattelt und war fortgeritten. Er wollte Gold suchen, damit der Vater zahlen konnte.
    Während der Bursche in seinen Gedanken versunken war, hatte er kaum bemerkt, wie sich leise jemand neben ihn auf die Wandbank setzte. Nur von ungefähr fiel sein Blick jetzt auf den Nachbarn. Es war ein junger indianischer Krieger. Er hatte keinen Rock an und alle Waffen griffbereit, als ob er mit einem Kampf rechne. Über der Brust hing eine Kette mit Bärenkrallen. Ben, der Wirt, hatte auch diesen neuen Gast sofort gesichtet und kam mit einem Becher Brandy heran. Der Indianer bezahlte, schüttete den Branntwein auf den Boden und stellte den Becher leer neben sich auf die Wandbank. Der Wirt ging weg.
    Donnerschlag, dachte Adams und musterte seinen Nachbarn aufmerksam. Sofort fiel ihm der Messergriff auf, der aus der gestickten Lederscheide am Gürtel schaute. Der Griff war in Form eines Vogelkopfes sorgfältig und kunstvoll geschnitzt. Die Büchse hatte der Indianer zwischen die Knie genommen. Er stopfte seine Pfeife und beobachtete Adams gar nicht. Obwohl er die schwarzen Augen offenhielt, hätte kein Mensch zu sagen vermocht, wohin er eigentlich schaute. Wie ein Igel! dachte Adams, wenn er sich einrollt, sieht man kein Tier mehr, sondern nur noch Stachel. So hatte der Indianer seine Seele in sich eingezogen. Adams schämte sich, ihn länger neugierig anzustarren, und warf nur hin und wieder noch einen verstohlenen Blick auf ihn.
    Die Stunden waren dahingelaufen, und es ging schon gegen Mitternacht. Adams hatte noch zwei weitere Becher Branntwein getrunken, und sein Nachbär hatte zwei weitere bezahlt und ausgeschüttet. Da tat sich die Tür wieder einmal knarrend auf, und herein kam endlich der Mann, auf den der Farmersohn wartete. Es war ein großer, breitschultriger Mensch mit rötlichen Haaren. Er sah Adams sofort, kam auf ihn zu, und die beiden begrüßten sich mit einem »He, auch da?« Dann stellte sich Red Jim vor den jungen Indianer.
    »Harry«, sagte er mit gezwungener Höflichkeit, »wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Ich begrüße meinen roten Bruder!«
    Harry und Red Jim sahen sich einen Augenblick an, und Adams, der die kleine Szene scharf beobachtete, erkannte den Haß in dem Blick, mit dem sich beide maßen. Aber das ging sofort vorüber, so daß Adams nicht wußte, ob er sich vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher