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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Mann, den ich je gesehen habe. Was hast du jetzt vor, Freddy?«
    Ich nahm Lornas Hand und hielt sie so fest, daß sie sie nicht wegziehen konnte. »Ich weiß nicht. Was hast du vor?«
    Lorna wand ihre Hand aus meiner und fing an, ihren Kopf heftig gegen das Sofa zu stoßen. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht, um Gottes verdammten Willen, ich weiß es nicht!«
    »Bleibst du bei der Staatsanwaltschaft?«
    Lorna schüttelte wieder den Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Ich meine, ich könnte, wenn ich wollte, aber ich kann nicht. Ich will nichts mehr mit Justiz und Bullen und dem Gesetz zu tun haben. Als du mich anriefst und mir sagtest, daß Engels gestanden hätte, bin ich sofort zum Staatsanwalt gegangen. Vielleicht habe ich mich wegen dir übertrieben aufgeführt, ich weiß nicht, aber es war mein Auftritt, und als Canfield mit Winton bei ihm gewesen war und wir anschließend darüber gesprochen haben, wußte ich, daß ich im Büro erledigt war. Und jetzt, da Engels tot ist, endgültig. Ich möchte da gar nicht mehr sein. Freddy, wirst du dich irgendwo anders bei der Polizei bewerben?«
    Diese naive Frage forderte mich heraus. Ich schüttelte den Kopf. »Höchstens in Rußland. Vielleicht könnte ich stellvertretender Kommissar in Leningrad werden, irgend so was. Oder in Sibirien Strafzettel für Schlittenfahrer ausstellen.«
    Lorna strich mir übers Haar. »Was willst du denn, Freddy?«
    »Ich will dich. Das ist alles, was ich will. Willst du mich heiraten?«
    Lorna lächelte im Kerzenlicht. »Ja«, sagte sie.

    Wir beschlossen, nicht unser Gleichgewicht zu verlieren. Lorna packte eilig einen Koffer, während ich das Verdeck über den Wagen zog. Wir fuhren sofort in Richtung Grenze. Wir rißen Witze, sangen zur Musik im Radio, spielten Arschgrabschen und donnerten nach Süden.
    In San Diego angekommen, fing Lorna plötzlich an zu weinen, weil ihr bewußt wurde, daß sie ihre alte, gesicherte Existenz aufgegeben hatte und einer neuen, ungewissen gegenüberstand. Ich hielt sie fest im Arm und fuhr immer weiter. Morgens um drei überquerten wir die Grenze nach Mexiko.
    Auf der ›Revolucion‹, der Hauptstraße in Tijuana, fanden wir eine Hochzeitskapelle, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Ein lächelnder, fetter mexikanischer Priester traute uns, nahm zehn Dollar Trauungsgebühren und stellte unsere Heiratsurkunde aus. Während der ganzen Zeit versicherte er uns, daß unsere Heirat verbindlich vor Gott, dem Gesetz und den Menschen wäre.
    Wir fuhren durch die armseligen Straßen Tijuanas, bis wir ein Hotel fanden, das sauber genug schien, um die Hochzeitsnacht darin zu verbringen.
    Ich zahlte drei Tage im voraus und trug unser Gepäck in einen heruntergekommenen Aufzug, der uns ins oberste Stockwerk brachte. Unser Zimmer war einfach: sauber glänzende Holzböden; saubere abgetretene Teppiche; ein sauberes Badezimmer; und ein großes sauberes Doppelbett.
    Lorna Underhill zog sich aus, legte sich aufs Bett und schlief sofort ein. Ich setzte mich in einen Sessel und sah meiner Frau beim Schlafen zu. Ich glaubte fest, die Standhaftigkeit meiner Liebe zu ihr würde alle Zufälligkeiten des Lebens ohne Wunder überdecken.

3 DIE ZEITLOSE ZEIT
15
    Jahre vergingen. Jahre des Bedauerns und der Einsicht; Jahre, in denen ich Hunderttausende von Golfbällen schlug, in denen ich las, in denen ich lange Spaziergänge mit Night Train am Strand machte; Jahre, in denen ich versuchte, zu leben wie andere Leute, Jahre auf der Suche nach etwas, dem ich mein Leben widmen könnte. Jahre des Erfahrens, was geht und was nicht. Aber vor allem Jahre mit Lorna.

    Lorna. Lorna Weinberg Underhill. Meine Frau, meine Liebe, meine Vertraute, mein Trost, mein Ersatz für das Wunder. Genaugenommen, meine Definition des Wunders - die Synthese von absoluter Kenntnis und ständiger Überraschung. Meine zärtliche, springlebendige, zerbrechliche Lorna. Der eigentliche Prototyp für die Wirksamkeit der Liebe: Wenn es nicht funktioniert, versuche etwas anderes. Wenn das nicht funktioniert, versuch noch etwas anderes. Wenn das schiefgeht, überprüfe deine Wünsche und suche nach deinen Fehlern. Mach einfach weiter, Freddy; früher oder später, mit etwas Übung, etwas Glück, wirst du etwas finden, das dich ebenso bewegt wie das Leben als Polizist.

    Vom Ende des Jahres 1951 bis Ende 1954 gab es so gut wie keinen Moment, an dem ich nicht lieber in einem Schwarzweißen über die Central Avenue oder den Western oder den Wilshire oder den

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