Heimlich
zitterte nur, während Smith und Carlisle mich niederknüppelten. Manchmal hielt Lorna mich dann umarmt; mit jedem Schlag, der auf mich niederging, grub ich mich dann fester in sie.
So schwebten die Toten über meiner Frau und mir und festigten ihre Existenz, während Lorna und ich weiterlebten. Wir liebten uns jahrelang, und das war das Elend wert, das mein blinder Ehrgeiz über mich und so viele andere gebracht hatte. Lange Zeit wollte ich nichts, was ich nicht schon hatte, und ich war über Lornas Bereitschaft gerührt, es mir zu geben. Wenn ich dann pausenlos darüber nachdachte, und es in Worte fassen wollte, las Lorna meine Gedanken, legte ihre Fingerspitzen auf meine Lippen und flüsterte leise die Worte, die ich ihr einst gesagt hatte: »Denk nicht, Liebling, bitte versuch, es nicht zu zerstören.« Sie wußte immer, wenn das Wunder in mein Bewußtsein gekrochen kam, und sie überlistete es immer mit Liebe, der ein Hauch von Angst innewohnte.
Diese Angst stand in Konkurrenz mit unserer Liebe; ein unterschwelliges Schuldgefühl, ein heimliches Vorbeiziehen vieler störrischer toter Seelen, die unserem Leben ein fast spirituelles Gewicht verliehen - so, als wäre unsere Freude ein Abendmahl für Eddie und Maggie und eine große Versammlung von Toten. Wir spürten dies beide, aber wir redeten nie darüber. Wir hatten beide Angst, daß es die Freude töten würde, für die wir so schwer gearbeitet hatten.
Lange Zeit war es unsere Bestimmung, Freude zu zeigen - Freude am anderen, indem jeder seine Einsamkeit mit dem andern teilte. Wir zankten uns liebevoll, was meistens damit endete, daß wir lachend im Bett lagen und Lorna ihre Hand auf meinen Mund drückte, während sie kreischte: »Nein, nein, erzähle mir lieber eine Geschichte!«
Ich erzählte ihr Geschichten und sie erzählte mir Geschichten, und allmählich verwischten sich die Unterschiede zwischen ihren Geschichten und meinen. Unsere Geschichten wurden ein riesiges Panorama von Erfahrung und mehr als nur ein bißchen Phantasie.
Denn irgendwie verloren wir uns in unserer Verschmelzung als eigenständige Persönlichkeiten aus den Augen. Und das machte uns merkwürdigerweise zu einer leichten Beute für die lange verdrängten Toten.
16
Ganz allmählich lebten wir uns auseinander, es war sinnlos, nach Gründen zu suchen und Schuld zu verteilen. Es war nur eine Reihe von unterschwelligen Verstimmungen. Zuviel gegeben und zuviel genommen; zuviel Zeit ohne den andern verbracht; zu viele phantastische Eigenschaften auf den anderen projeziert. Zuviel Hoffnung und zuviel Stolz und zu wenig Bereitschaft, sich zu ändern.
Und zu viel Grübeln auf meiner Seite. Das sagte ich Lorna im Frühjahr 1954. »Unsere Gedanken sind ein Fluch, Lorna. Ich möchte meine Muskeln gebrauchen und nicht mein Hirn.« Lorna sah von ihrem Frühstückskaffee auf und kratzte geistesabwesend meinen Arm. »Nur zu. Du hast doch immer gesagt: ›Denk nicht‹, erinnerst du dich?«
Die Arbeit als Bauarbeiter und später als Maurer war stumpfsinnig und erheiternd. Die Männer, mit denen ich arbeitete und Bier trank, waren vital und roh. Aber Lorna war entsetzt, als ich acht Monate lang bei dieser Arbeit blieb und sie mir immer besser gefiel. Sie dachte, meine Geisteskraft würde verschwinden, die ich so dringend zum Schweigen bringen wollte. Und ihre Verstimmung wuchs. Sie konnte die Anomalie nicht mehr ertragen, als erfolgreiche Anwältin mit einem Arbeiter verheiratet zu sein. Mit einem ehemaligen Polizisten, dem kommunistische Umtriebe vorgeworfen wurden, ja; mit einem arbeitenden Zombie, nein, Ich bemerkte den Widerspruch, daß eine Fürsprecherin des »Arbeiters« den nämlichen in ihrem eigenen Haushalt verschmähte.
»Ich hab’ keinen Kellenträger geheiratet«, sagte Lorna kalt.
Ich fing an, zu überlegen, wen sie eigentlich geheiratet hatte. Ich fing an, zu überlegen, wen ich geheiratet hatte. Ich fühlte eine Hohlheit, eine Niedergeschlagenheit, die fünfzigmal schlimmer war als Angst. Aber ich blieb dabei: Energisch fuhr ich fort, mit der Arbeit am Bau und durch das Golfspiel mindestens soviel zu verdienen, wie Lorna als Anwältin.
Wir teilten uns die Haushaltskosten, und jeder steuerte monatlich einen Betrag für unsere Spar- und Girokonten bei. Am Ende eines jeden Monats machten wir unsere Buchhaltung, dann schüttelte Lorna immer den Kopf wegen der traurigen Ausgewogenheit. Bei diesen Sitzungen spielten wir immer ein bestimmtes Spielchen. Wir teilten uns die Ausgaben
Weitere Kostenlose Bücher