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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Pico Boulevard oder irgendeine Straße in Los Angeles gefahren wäre, bewaffnet und voller Illusionen.

    Als wir von unserer dreitägigen Hochzeitsreise aus Mexiko zurückkehrten, war Korea wieder in die Schlagzeilen gekommen, und Lorna und ich zogen in ein verschachteltes, großes Haus im Laurel Canyon. Wir hatten einen Hof für Night Train, ein großes Schlafzimmer mit einem Balkon und einem Blick auf die Landschaft, ein abgesenktes Wohnzimmer mit französischen Fenstern, auf die ein Schloß in Burgund stolz gewesen wäre.
    Einen Monat lang genossen wir das Haus, wir lasen uns Gedichte vor, spielten Scrabble, liebten uns und tanzten zu »The Tennessee Waltz«. Aber Lorna wurde dieser Dinge vor mir überdrüssig und sie nahm die erste Arbeit an, die sie kriegen konnte: juristische Beraterin für Weinberg Productions, Inc. Sie hielt es nicht lange aus; sie und ihr Vater schlugen sich andauernd die Köpfe ein über Geldfragen, Moral und die juristische Behandlung von Filmen.
    Im Mai 1952 kündigte sie und arbeitete für die Wahlkampagne von Adlai Stevenson. Der Geist des intellektuellen Gouverneurs aus Illinois hatte sie angesteckt, und es gelang ihr sogar, als juristische Beraterin für den Wahlkampf eingestellt zu werden. Diesen Job hatte sie, bis herauskam, daß sie mit einem ehemaligen »kommunistischen« Polizisten verheiratet war. Traurig, aber immer noch auf Gerechtigkeit bedacht, trat sie in eine Anwaltskanzlei in Beverly Hills ein, die auf Schadenersatzfälle spezialisiert war. Meine Lorna, die Heldin der armen Schweine, die mit ihren Daumen in die Drillmaschine geraten waren.
    Die ersten Monate unserer Ehe gingen sehr gut. Big Sid akzeptierte seinen heidnischen Schwiegersohn mit überraschender Großherzigkeit. Er zeigte persönlichen Mut, indem er mich nach Hillcrest mitnahm, um Golf zu spielen. Und das zu einer Zeit, als ich noch verrufen war. Wir spielten um Geld, und ich verdiente mehr als genug, um meinen Anteil der Ausgaben für unser Liebesnest im Laurel Canyon bezahlen zu können.
    Lorna und ich sprachen kein einziges Mal über den Engels-Fall. Es war das entscheidende Ereignis in unser beider Leben und hing immer über uns, aber wir redeten nicht darüber.
    In unserer ersten Nacht im neuen Haus brachte ich das Thema zur Sprache, ich wollte die Angelegenheit bereinigen. »Wir haben dafür bezahlt, Lorna. Wir haben bezahlt für das, was wir taten.«
    »Nein«, sagte Lorna. »Ich war nur ein verblendeter Griffelspitzer. Ich bin leicht davongekommen. Du hast bezahlt, und dein Urteil heißt lebenslänglich. Ich möchte darüber nie wieder diskutieren.«
    Ich hatte wenigstens Glück, daß Canfield und die Familie von Eddie Engels weder die Polizei von Los Angeles noch mich jemals verklagten. Monatelang wartete ich ängstlich auf eine Vorladung, in deren Folge in aller Öffentlichkeit die ganze schmutzige Würmerdose geöffnet würde, aber die Vorladung kam nicht.
    Im Februar 1955 fand ich auch heraus, warum das so war. Ein betrunkener, rachsüchtiger Mike Breuning erzählte es mir. Ich traf ihn zufällig an der Bar eines Restaurants in Hollywood. Aus seiner Beförderung zum Lieutenant war wieder nichts geworden, und so saß er da und ließ Galle ab über die Polizei und seinen treuen Mentor Dudley Smith. Unter umständlichen Entschuldigungen erzählte er mir, daß es Dudley Smith war, der mein Tagebuch geschnappt und die Schnüffler noch am gleichen Tag auf Sarah Kefalvian angesetzt hatte, an dem Eddie Engels »gestand«. Es war auch Dudley, der nach Seattle flog, bei der örtlichen Polizei Akten durchsah und einen Bericht über Lillian Engels entdeckte, der ein Dutzend Verhaftungen wegen Trunkenheit in lesbischen Bars enthielt. Er ging ohne Umschweife damit zu Wilhelm Engels und zwang ihn, seine Klage fallenzulassen. Im folgenden Jahr war Engels senior dann an einem Herzanfall gestorben.
    Von Zeit zu Zeit wurde mir manchmal überraschend klar, daß ich Angst hatte, und daß ich keine Kontrolle über meine Angst hatte. Zerstörerische Erinnerungen an das blutige Gesicht von Eddie Engels überkamen mich und ließen mich nicht mehr los, auch wenn ich stundenlang mit Lorna über das Wetter quatschte. Allmählich wechselten die Bilder, und Engels’ Gesicht verwandelte sich in meines, und dann waren es plötzlich Dudley Smith und Dick Carlisle, die mich schlugen, während ich mir selbst zuschaute und im Zimmer Nr. 6 des Victory Motel Kaffee trank. Ich schrie nicht, redete nicht und bewegte mich nicht; ich

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