Heimlich
Verbindungsmann zum Krankenhaus arbeiten, Medikamente und den anderen Krankenhausbedarf von Großhändlern im Raum Los Angeles beschaffen.
Sie strahlte Doc an, der einige Minuten lang laut über Marcellas Talent, zu manipulieren, staunte. Schließlich nahm er ihre Hand. »Willst du mich heiraten?« fragte er. Marcella sagte ja.
Sie verbrachten ihre Flitterwochen in San Francisco, und zogen dann in ein geräumiges Appartment im Los-Feliz-Bezirk in Los Angeles. Marcella, frischgebackener Kapitänleutnant, nahm ihren Dienst im Marinekrankenhaus auf, ebenso der Maat John DeVries, der in der Nähe der Frischvermählten eine Wohnung gemietet hatte.
Eine Weile ging alles gut: Die Alliierten hatten die Wende herbeigeführt, und es war nur eine Frage der Zeit, wann Deutschland und Japan kapitulieren würden. Marcella war zufrieden mit ihrer Arbeit, und Johnny und Doc wurden dicke Freunde.
Doc war der Vater geworden, den Johnny verloren hatte. Die beiden unternahmen in Docs LaSalle Cabriolet lange Spritztouren ohne Ziel, die sie durch die ganze Umgebung von Los Angeles führten. Das war das Problem, stellte Marcella fest. Doc war nie da, und wenn er da war, dann war er mit Absicht nebulös und schweigsam.
Es war ihr bald klar, daß ihres Ehemanss »Chance des Lebens« darin bestand, als Hehler für eine Diebesbande aus Los Angeles zu fungieren. Bekifft hatte Johnny ihr eines Abends erzählt, Doc hätte in der ganzen Stadt Garagen voller gestohlener Waren. Er verscherbelte die Beute - Pelze, Juwelen und Antiquitäten - an Großkotze in der Armee und der Marine, an Abstauber in der Filmindustrie, an Spieler und andere Schwindler, die sich auf den Rennplätzen in Hollywood Park und Santa Anita herumtrieben.
Wenn er da war, war Doc ein liebender und fürsorglicher Ehemann, aber Marcella fing an, sich Sorgen zu machen. Sie trank im Übermaß und schrieb lange Briefe an Will, um die Ängste zu ersticken, die sie sich um den geliebten Mann machte. Er schien sie auszulachen, denn er war ihr gedanklich immer zwei oder gar drei Schritte voraus. Und immer, immer lächelte er düster mit diesem - wie sie glaubte - absolut kalten Licht in seinen Augen.
Marcella entschloß sich zu einem Urlaub allein. Sie wollte ihren Alkoholkonsum einschränken und ihre Gedanken sammeln. Das sagte sie Doc, und der stimmte bereitwillig zu. Sie hatte inzwischen Anspruch auf einen Monat Urlaub, und ihre Vorgesetzten ließen ihre verbissen fähige Krankenschwester nur zu gerne gehen, damit sie ein bißchen entspannen konnte.
Sie fuhr nach San Juan Capistrano, schwamm im Meer und schrieb lange Briefe an Will, der - erstaunlicherweise - wieder nach Tunnel City gezogen war. Verblüfft rief Marcella ihn dort an. Will sagte ihr, er hätte es für notwendig gehalten, sich mit seiner tragischen Vergangenheit zu konfrontieren. Er sei ein Suchender auf dem geistigen Weg geworden. Es funktionierte, sagte er ihr; er lebte in Frieden hier, leitete das örtliche Kino, fuhr zu Bucheinkäufen für die Stadtbücherei von Tunnel City nach Chicago und meditierte auf seinen Spaziergängen durch die Kohlfelder, die er einst so furchtbar gehaßt hatte.
Marcella fuhr nach Los Angeles zurück und entdeckte, daß sie schwanger und Johnny wieder einmal kodeinsüchtig war. Er hatte sich mit einer jungen Frau zusammengetan, die Doc seiner nicht für würdig hielt. Er hatte entschieden, daß er sie nicht mehr sehen sollte. Von seinem Ersatzvater eingeschüchtert, hatte Johnny zugestimmt, und die Frau hatte Los Angeles verlassen.
Marcella war wütend und verletzt über die Macht, die ihr Mann auf ihren Bruder ausübte. Sie hatte ihre Autorität über Johnny viel gütiger angewandt. Doc kommandierte Johnny herum, befahl ihm, irgendwohin zu fahren, sagte ihm, was er anziehen und essen sollte; und immer, immer mit diesem kalten Lächeln in seinem Gesicht.
Marcella machte sich Sorgen. Aber als sie Doc die Neuigkeit ihrer Schwangerschaft erzählte, war sie überglücklich, als sie den lachenden, witzigen, zärtlichen Doc wieder auftauchen sah, in den sie sich einmal verliebt hatte. Er war fürsorglich, er war rücksichtsvoll, er erahnte ihre Gefühle und Stimmungen vollkommen. Sie war niemals glücklicher, schrieb sie an Will, niemals.
Michael wurde im August 1945 geboren, und Marcellas Briefe an Will wurden seltener. Sie erwähnte ihr Kind nie und reagierte nicht, wenn Will sich schriftlich nach ihm erkundigte.
»Kummer und Sorgen«, schrieb sie im Oktober jenes Jahres an Will.
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