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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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hastig, und mich erfüllte ein Gefühl des Verlustes, das auch die Liebe nicht wettmachen konnte.
    Als wir fertig waren, lächelte Maggie und küßte mich geistesabwesend auf die Backe, dann warf sie ihren Bademantel über und ging in die Küche. Ich hörte, wie sie nach Flaschen und Gläsern kramte. Das war mein Stichwort. Ich schlich mich ins Wohnzimmer und zog mich im Halbdunkel an.
    Maggie kam mit einem Tablett aus der Küche, auf dem eine Whiskeyflasche und kurze Gläser standen. Als sie sah, daß ich gehen wollte, fiel ihr Gesicht einen Moment lang zusammen, aber sie erholte sich schnell, erfahren wie sie war.
    »Ich muß gehen, Maggie«, sagte ich. Sie setzte das Tablett nicht ab, deshalb lehnte ich mich darüber, wobei ich leicht dagegenstieß, und strich ihr mit den Lippen über die Wange. »Tschüs, Maggie.« Sie antwortete nicht, sondern stand nur da, das Tablett in den Händen.
    Ich ging zu meinem Wagen. Die kalte Luft war angenehm, und der Tag brach gerade an.
    Ich wußte, daß dieser Samstag, der 6. Februar 1951, im Kalender rot anzustreichen war. Als ich nach Hause kam, schrieb ich das, was ich wußte, in mein Tagebuch: Maggie Cadwallader und Lorna Weinberg. Ich sollte erst später merken, daß dieser Tag der Wendepunkt in meinem Leben war.

4
    Am Montag morgen rief mich Beckworth in sein Büro. Ich hatte erwartet, daß er sauer auf mich sein würde, weil ich ihn hatte hängenlassen, aber er zeigte sich überraschend großherzig. Er erzählte mir geradeheraus, was ich schon aus etlichen anderen, weniger zuverlässigen Quellen wußte: Im Juni würde er neuer Revierchef in Wilshire und er würde ein halbes Dutzend »ganz böser Blaumänner« in die 77. Straße schicken, um »diese Scheißkiffer und ihren ganzen Märchenwald auszuräuchern«. Nach »Niggerland, USA«, wo sie die »wahre Bedeutung der Polizeiarbeit« erfahren würden. Namen nannte er nicht - das war nicht nötig. Wacky Walker würde offensichtlich als einer der ersten in Watts landen, und ich fand mich schweren Herzens mit dieser Tatsache ab. Ich wußte, daß ich nichts dagegen unternehmen könnte.
    An jenem Wochenende hatten Wacky und ich unsere Differenzen mit Hilfe von Whiskey und Lyrik beigelegt. Mit Geschenken war ich Sonntag zu seiner Wohnung gegangen - einen druckfrischen Hunderter für seine Assistenz beim Golfspielen, für Handschellen und Kanone, eine Flasche »Old Grand Dad« und eine Vorzugsausgabe der frühen Gedichte von W. H. Auden. Wacky war entzückt und weinte beinahe vor Dankbarkeit - was mich aufs merkwürdigste berührte: Liebe vermengte sich mit Mitleid und Bitterkeit über seine Abhängigkeit von mir. Dieses Gefühl sollte ich bis ans Ende der letzten Saison meiner Jugend mit mir rumschleppen.
    Ich ging in den Versammlungsraum, um dem unsterblichen Polizeiritual des Montagmorgen-Appells beizuwohnen. Der Raum war voller Lärm und Zigarettenrauch. Gately, der inspizierende Sergeant, war wie immer unrasiert.
    Ich fand einen freien Stuhl neben Wacky. Er starrte auf seinen Schoß und tat so, als würde er Verkehrsberichte lesen. Als ich mich setzte, erhaschte ich einen Blick von dem, was er wirklich las: Zwischen den Verkehrsberichten lag ein Exemplar von T. S. Eliots »Four Quartets«.
    Gately faßte sich kurz. Schnapsleichen waren keine eingeliefert worden - die Ausnüchterungszellen in Lincoln Heights waren wegen des anhaltenden Regens der letzten Tage überschwemmt -, dafür hatte es jede Menge Vorladungen wegen Verkehrsdelikten gegeben; die Staatsanwaltschaft wollte sie haufenweise - messerscharf konnte man darauf schließen, daß die Stadt Mäuse brauchte. Wir sollten die Pferdchen auf dem West Adamas Boulevard in Ruhe lassen und nach einem »Pfoten-hoch!«-Team Ausschau halten: Zwei mexikanische Ganoven hatten in einem Schnapsladen und ein paar Kaufhäusern am südlichen Ende des Bezirks, in der Nähe des Coliseums, zugeschlagen. Die Kriminaler hatten von Augenzeugen erfahren, daß sie mit einem frisierten, weißen Ford-Transporter unterwegs waren und nie ohne die automatische 45er aus dem Haus gingen. Als Gately das erwähnte, reagierte der ganze Raum spontan - deswegen sind wir alle hier, schien jeder Bulle zu denken. Sogar Wacky ruckte und schaute von seinem Eliot auf. Er richtete seinen rechten Zeigefinger auf mich und entsicherte seinen Daumen. Ich nickte; auch ich war deswegen hier.
    Wir holten unseren Schwarzweißen vom Parkplatz und düsten über den Pico Boulevard nach Osten, dann südwärts auf dem Hoover

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