Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
Vom Netzwerk:
Schenkel. Sie war mit geronnenem Blut überdeckt.
    Ich schaute auf die Uhr. 9 Uhr und 6 Minuten. Wacky starrte die tote Frau und dann mich an, als könnte er seinen Augen nicht trauen. Seine Augen jagten gehetzt hin und her, während er sich nicht rührte.
    Ich rannte die Treppe runter. Die Frau, die uns geholt hatte, stand immer noch an ihrer Wohnungstür und nagte immer noch an ihren Knöcheln. »Das Telefon!« schrie ich sie an. Ich fand es in ihrem überfüllten Vorraum und rief die Wache an, forderte ein paar Detektive und den Leichenwagen an, dann rannte ich wieder nach oben.
    Wacky starrte immer noch die tote Frau an. Er schien sich die Einzelheiten ihrer Schändung einprägen zu wollen. Ich spazierte durch die Wohnung und hielt meine Beobachtungen schriftlich fest: die umgeworfenen Möbel, das zerbrochene Glas, der Anblick des getrockneten Bluts in der Küche. Ich kniete mich nieder, um den Teppich zu untersuchen: Es war ein dunkel-orangener falscher Perser, aber er war hell genug, um darauf die Blutspuren zu erkennen. Ich folgte der Blutspur ins Schlafzimmer, wo die tote Frau lag. Plötzlich fing Wacky hinter mir an zu reden, so daß ich zusammenfuhr und fast an die Decke sprang. »Herr. Scheiß. Gott, Freddy. Was für ’ne Schweinerei.«
    »Ja. Die Kriminaler und der Fleischbeschauer sind unterwegs. Ich schau’ mich noch ein bißchen um. Geh du runter und laß dir ’ne Aussage von der Frau geben.«
    »In Ordnung.«
    Wacky brach auf, ich machte mir weiter Notizen. Es war eine gemütliche Durchschnittswohnung, sauber und komfortabel eingerichtet. An so einem Ort würde nicht mal ein verzweifelter Drogensüchtiger einbrechen. Aber es sah ganz danach aus. Weitere Durchsuchungen förderten einen blutgetränkten Frottee-Bademantel zutage. Er lag auf dem Fußboden in dem kleinen Eßzimmer, das zwischen Wohnzimmer und Küche lag. Am Ende der Küche führte eine Treppe in eine Art Waschküche hinunter; auf den gebrechlichen Holzstufen waren blutige Fußabdrücke.
    Ich ging durch die Wohnung und suchte die Mordwaffe, fand aber nichts, keinen scharfen Gegenstand irgendeiner Art. Ich überprüfte das Opfer noch einmal. Sie war eine hübsche Brünette, etwa Mitte Zwanzig. Sie hatte einen schlanken Körper und ganz hellgrüne Augen. Ihr Lippenstift und ihre lackierten Zehennägel waren vom selben Dunkelrot wie ihr geronnenes Blut. Ihr Körper lag so ausgebreitet, als hätte er zögernd den Tod akzeptiert. Ihr Gesicht aber schien mit dem offenen Mund und den hervorquellenden Augen laut »Nein!« zu schreien.
    Ich ging nochmals durch die Räume auf der Suche nach weiteren Einzelheiten von Bedeutung. An der Flurwand in der Nähe des Schlafzimmers fand ich Spuren eines blutigen Fingerabdrucks. Ich kringelte ihn mit einem Stift ein. Im Wohnzimmer stand ein Telefontischchen ohne Telefon, aber mit einem Kristallaschenbecher voller Streichholzheftchen. Eines fiel mir auf - ein orangenfarbenes mit drei Sternen drauf, die um ein Martiniglas gruppiert waren. Der »Silver Star«. Ich stocherte im Aschenbecher. Alle Streichholzbriefchen waren aus Bars und Nachtclubs im Zentrum von L. A. und Hollywood. Ich schaute mich nach Rauchbarem um - Pfeifen, Zigaretten, Tabak. Nichts. Die Frau war entweder Nachtschwärmer oder Streichholzsammler gewesen.
    Ich hörte laute Schritte auf der Treppe stapfen. Es war Wacky, gefolgt von zwei Zivilen und einem Alten, den ich als Gerichtsmediziner kannte. Ich winkte sie mit dem Kopf in Richtung Schlafzimmer. Sie gingen vor mir rein. Ich hörte Pfiffe, Seufzer, zorniges Schnauben und Ausrufe des Entsetzens:
    »O Gott. Ach du Scheiße«, sagte der eine.
    »Himmel, Arsch«, sagte der zweite.
    Der Mediziner starrte nur und atmete langsam aus. Dann ging er hinüber und kniete sich neben die Tote. Er stocherte und drückte an ihrer Haut herum, dann fuhr er mit dem Daumennagel über das verkrustete Blut an ihren Beinen. »Mindestens schon 24 Stunden tot, Freunde«, sagte er. »Todesursache Erstickung, obwohl die Wunden im Magen und an der Brust auch hätten tödlich sein können. Aber schaut euch mal ihre Augen und Zunge an. Sie hat nach Luft geschnappt, als sie starb. Ihr müßt nach ’nem Klappmesser suchen -und nach ’nem gottverdammten Irren.«
    »Wer hat den Leichnam gefunden?« fragte der erste Kriminaler. Er war ein großer, stämmiger Kerl, den ich schon auf der Wache gesehen hatte.
    »Ich«, sagte Wacky.
    »Name und Nummer?« fragte er.
    »Walker, fünfhundertdreiundachtzig.«
    »Okay, Walker.

Weitere Kostenlose Bücher