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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Boulevard Richtung Coliseum. Wacky wollte erst mal die Kaufleute in der Gegend vor den mexikanischen Plünderbuben warnen. Er war in einer überschwenglichen Stimmung und wollte mit »seinen« Bürgern klönen.
    Wir hielten, und Wacky bestand darauf, daß ich ihn zu einem Schwätzchen mit Jack Chew begleitete. Jack Chew war Chinese und sprach mit breitem texanischem Akzent. Ihm gehörte ein kleiner Fleischerladen Ecke 28. Straße und Hoover Boulevard, und er sagte so Sachen wie »Ach sooo, Paatner«. Wacky liebte ihn, aber er konnte Wacky nicht ausstehen, weil dieser immer Lychee-Konserven mitgehen ließ, die er hinter der Theke für die Streifenbeamten liegen hatte. Jack war sehr höflich und altmodisch: Er bot einem gerne etwas an oder ließ sich bitten, und wegen der Grabscherei hielt er Wacky für ein Ferkel.
    Er stand hinter der Fleischtheke, als wir seinen Laden betraten, und wickelte gerade eine Art kandierte Ente für eine alte chinesische Dame ein.
    »Hallo Jack«, rief Wacky, »wo hast du denn den Quakvogel her? Ich dachte, sie hätten dir verboten, im Westlake Park zu jagen. Weißt du nicht, daß all die gebrauchten Pariser, die da im See rumschwimmen, den Geschmack verderben? Ich hab’ gehört, daß die Enten nachts die Pariser tragen, um ihre Schnäbel zu wärmen. Verbleiche denn, o Vogel Quak, Pariser auf deinem Schnabel stak, o nobler Enterich, dir geht’s jetzt fürchterlich, Jack Chew hat dich am Arsch, bläst dir dein Lichtlein aus ganz barsch.«
    Jack stöhnte, und die alte Frau kicherte, als Wacky einen auf Frankenstein machte, indem er langsam und ächzend auf sie zuging, die Arme ausgebreitet.
    »Verpiß dich, Walker«, sagte Jack. Und zu mir sagte er: »Ach sooo, Kommissar Freddy«, dann reichte er mir eine offene Dose Lychees. Jack wechselte mit der Frau einige Sätze auf chinesisch. Als sie ging, kicherte sie und winkte Wacky zu.
    »Sie lieben mich alle, Jack. Was hab’ ich nur an mir?« sagte Wacky. »Aber eigentlich bin ich gar nicht zum Plaudern hier.«
    »Prima«, sagte Jack.
    Wacky lachte und fuhr fort: »Jack, da sind ein paar böse Hombres, die sich hier in der Gegend rumtreiben und Dinger aus Eisen mit sich tragen. Die lieben so kleine Läden wie deinen, und da sie Toreros sind, wissen sie wahrscheinlich gar nicht, daß Chinesen sich nicht so leicht ergeben. Sie sind ungefähr Mitte Zwan...«
    Wacky kam nicht weiter. Eine junge Frau rannte in den Laden. Sie öffnete den Mund und wollte schreien, aber sie brachte keinen Laut heraus. Sie packte Wacky am Arm.
    »Oh, oh, oh, oh, oh«, würgte sie.
    Wacky hielt ihr beide Hände an die Seite. Er sprach ruhig. »Ja, meine Liebe. ›Wachtmeister‹. Was ist los?«
    »Wa - wa - Wachtmeister«, brachte sie heraus, »ma-ma-meine Nachbarin ... tot!«
    »Wo?« sagte ich.
    Die Frau zeigte zur 28. Straße und rannte plötzlich in die Richtung. Ich rannte hinter ihr her. Wacky folgte mir. Sie führte uns den halben Block hinunter und in ein altes Holzhaus, das aus vier Wohnungen bestand. Sie zeigte auf die Treppen, die zum zweiten Stock hochführten. Die Tür stand weit offen.
    »Oh, oh, oh«, stammelte sie, zeigte wieder nach oben, stieß rückwärts gegen eine Reihe von Briefkästen und biß sich in ihre Knöchel.
    Wacky und ich schauten uns an. Wir nickten beide, und Wacky schenkte mir etwas, das ein Lächeln hätte werden können. Wir zogen unsere Kanonen und sprangen die Treppe hoch. Ich betrat zuerst, was einmal ein bescheidenes Wohnzimmer gewesen war. Jetzt war es ein reines Chaos: Stühle, Buchregale und Schränkchen waren umgeworfen, und der Fußboden war mit zerbrochenem Glas übersät. Ich hielt den Atem an und bewegte mich langsam vorwärts, die Pistole ausgestreckt. Hinter mir konnte ich Wacky heiser atmen hören.
    Gerade vor mir lag eine kleine Küche. Auf Zehenspitzen ging ich hinein. Das weiße Linoleum war mit geronnenem Blut übersät. Wacky sah es und raste sofort in die hinteren Räume der Wohnung. Er vergaß jede Vorsicht. Ich rannte ihm nach und stieß ihn beinahe im Türrahmen des Schlafzimmers um, da stieß er einen ersten Entsetzensschrei aus: »O Gott, Freddy!«
    Ich schob ihn zur Seite und blickte ins Schlafzimmer. Auf dem Boden lag eine nackte Frau auf dem Rücken. Ihr Hals war schwarz und lila und zur Seite gedreht. Ihre Zunge war gewaltig geschwollen und obszön herausgestreckt. Die Augen quollen aus ihren Höhlen. In Bauch und Brüsten hatte sie Stichwunden, noch klaffendere befanden sich an der Innenseite ihrer

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