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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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auf, setzte mich auf den Vordersitz und dachte nach. Nein, kein Einbruch, sagte ich zu mir selbst; diesmal nicht. Vielleicht bei der Jensen, vielleicht war das mit den Streichhölzern ein Zufall, aber Maggie Cadwallader hatte etwas Fremdes an sich, eine Aura von bevorstehendem Unheil, und als sie meine Pistole sah, hatte sie geschrien: »Bitte nicht! Du darfst mich nicht verletzen! Ich weiß, wer dich geschickt hat. Ich wußte es.« Sie war eine merkwürdige Frau gewesen, eine, die sich in ihrer kleinen Welt abschottete und dennoch häufig Fremde einließ.
    Der Silver Star war der richtige Ort, um anzufangen, aber es war witzlos, tagsüber dort hinzugehen. Deswegen fuhr ich zu einer Telefonzelle und suchte mir die Adresse der Small World Import-Export-Company heraus: 615, North Virgil. Dorthin fuhr ich, angeregt - und ein bißchen schuldbewußt.

    Die Small World Import-Export-Company befand sich in einem großen Lagerhaus in der Mitte eines Wohnblocks, in dem hauptsächlich Studenten des Los Angeles City College wohnten, das ein paar Ecken weiter stand. Vor jedem Haus waren Anschlagtafeln: »Studentenwohnungen« und »niedrige Mieten für Studenten«. Eine Menge »Studenten« saßen auf ihren Veranden, tranken Bier und alberten in ihren Vorgärten herum. Sie waren ungefähr in meinem Alter und sahen so überlegen wie Schütze Arsch aus. Zwei Kriege, Underhill, dachte ich, und du bist zweimal davongekommen und hast bekommen, was du wolltest. Und jetzt bist du da, ein Streifenbeamter in Watts, der einen Detektiv in Hollywood nachahmt. Sei vorsichtig.
    Ich war es. Ich betrat das Lagerhaus durch eine schäbige Tür, auf die jemand, der sich in Geographie offensichtlich nicht gut auskannte, einen vergammelten Globus gezeichnet hatte. Aber die Empfangsdame wußte, was ein Cop und ein Abzeichen ist, und als ich sie nach Freunden von Maggie Cadwallader befragte, sagte sie: »Oh, das haben wir gleich.« Sie wählte eine Nummer auf ihrem Telefon und sagte: »Mrs. Grover, unsere Hauptbuchhalterin, war eine gute Freundin von Maggie. Sie sind fast jeden Tag zusammen essen gegangen.« Und ins Telefon sagte sie: »Mrs. Grover, hier ist ein Polizist, der mit Ihnen über Maggie reden möchte.« Die Empfangsdame legte den Hörer nieder und sagte: »Sie wird sofort da sein.« Sie lächelte. Ich lächelte zurück.
    Als wir so ungefähr unser achtes oder neuntes Lächeln ausgetauscht hatten, kam eine tüchtig aussehende Frau von etwa vierzig Jahren in das Wartezimmer. »Ja?« fragte sie.
    »Mrs. Grover«, antwortete ich, »ich bin Officer Underhill vom Los Angeles Police Department. Könnte ich mit Ihnen reden?«
    »Sicher«, sagte sie sehr geschäftsmäßig. »Würden Sie bitte ins Büro kommen?«
    Mir gefiel meine Rolle, aber ihre brüske Art nervte mich. »Ja, sicher«, antwortete ich.
    Wir gingen durch einen schäbigen Gang. Hinter verschlossenen Türen konnte ich eine große Anzahl von Nähmaschinen surren hören. Mrs. Grover bot mir in ihrem karg eingerichteten Büro Platz auf einem Holzstuhl an. Sie zündete sich eine Zigarette an, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und sagte: »Arme Maggie. Was für eine gottverdammte Art zu sterben. Wer, glauben Sie, hat es getan?«
    »Ich weiß nicht. Deswegen bin ich hier.«
    »In den Zeitungen habe ich gelesen, daß Sie glauben, es wäre ein Einbrecher gewesen. Ist das wahr?«
    »Vielleicht. Wie ich hörte, waren Sie und Maggie Cadwallader gute Freunde.«
    »In gewisser Weise, ja«, antwortete Mrs. Grover. »Wir aßen jeden Werktag zusammen, aber privat haben wir uns nie gesehen.«
    »Was war der Grund dafür?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Was ich sagen will, Mrs. Grover, ist, daß ich versuche, etwas über diese Frau herauszubekommen. Was für ein Mensch war sie? Ihre Gewohnheiten, ihre Vorlieben, ihre Abneigungen, die Leute, mit denen sie zusammen war, diese Dinge?«
    Mrs. Grover starrte mich an und rauchte intensiv. »Ich verstehe«, sagte sie. »Nun, wenn es Ihnen weiter hilft, kann ich Ihnen folgendes sagen: Maggie war eine sehr intelligente, verstörte Frau. Ich glaube, sie war eine pathologische Lügnerin. Sie hat mir Geschichten von sich erzählt und später genau das Gegenteil behauptet. Ich glaube, sie hatte Alkoholprobleme und hat ihre Abende alleine und mit Lesen zugebracht.«
    »Was für Geschichten hat Sie Ihnen erzählt?«
    »Über ihre Herkunft. Eines Tages war sie aus New York, am nächsten Tag aus dem Mittelwesten. Einmal hatte sie mir erzählt, sie hätte ein

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