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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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hinzu: »Ich bin sicher, Sie wollen mich nicht aufhalten.« Als ich schwieg, fragte sie: »Oder?«
    Ich lächelte Lorna Weinberg so breit und unschuldig an, wie ich konnte. »Vielleicht. So viel zu den Liebenswürdigkeiten. Essen Sie mit mir?«
    Lorna runzelte wieder die Stirn. »Ja, Officer. Und Sie?«
    »Ja. Jeden Abend. Eine alte Angewohnheit. Kennen Sie ein anständiges Lokal?«
    »Keins, zu dem ich hingehen könnte.«
    »Wenn Ihnen Ihr böses Bein zu schaffen macht, können wir verschnaufen, oder ich kann sie tragen. Oder wir können irgendwohin fahren.«
    Bei meinen Bemerkungen zuckte Lorna zurück, ihre Lippen kräuselten sich. »Wir können fahren«, sagte sie, »in meinem Wagen.«
    Ich gab mehr als bereitwillig nach.
    Wir gingen ganz langsam die kurze Strecke zur Temple Street und sprachen sehr wenig. Lorna humpelte beständig und warf beim Gehen ihr totes Bein mit rhythmischer Anmut aus. Wenn sie Schmerzen hatte, zeigte sie sie nicht. Nur ihr freier Arm, der den Stock führte, verriet Zeichen von Anspannung.
    Ich überlegte, was ich sagen könnte, aber alles schien mir dumm und abgenutzt. Als wir die Straße überquerten, faßte ich sie am Ellbogen, um sie zu führen. Sie zog ihn ärgerlich weg.
    »Nicht«, schnauzte sie, »das kann ich allein.«
    »Ich bin sicher, daß Sie das können«, sagte ich.
    Ihr Wagen war ein neuer Packard mit automatischem Getriebe und einem eigens konstruierten Bügel für ihr schlimmes Bein. Ohne mich zu fragen, fuhr sie Richtung Norden nach Chinatown. Sie war eine gute Fahrerin und steuerte den großen Wagen geschickt durch den starken Abendverkehr auf dem North Broadway. Sie zwängte den Wagen mühelos in eine enge Lücke, zog die Handbremse schwungvoll an und wandte sich mir zu. »Ist chinesisch in Ordnung?« fragte sie.

    Die Inneneinrichtung des Restaurants war ein Traum aus Pappmache. Alle vier Wände hatten die Gestalt einer Bergkette mit Wasserfällen, die in einem Trog zusammenliefen, in dem riesige Goldfische schwammen. Der Raum war in blaugrünes Licht getaucht, das dem Ganzen einen Unterwassereffekt verlieh.
    Ein unterwürfiger Kellner führte uns in eine Nische am Ende des Lokals und reichte uns die Speisekarte. Lorna studierte ihre mit großem Eifer, während ich mir ein paar knapp formulierte Gedanken zurechtlegte. Ich starrte sie an, während sie ihre Speisekarte durchlas. Ihr Gesicht sah sehr stark und sehr schön aus.
    Sie schaute von ihrer Speisekarte auf und bemerkte meinen Blick. »Essen Sie nichts?« fragte sie.
    »Vielleicht«, sagte ich. »Wenn ja, weiß ich, was ich nehme.«
    »Sind Sie so unflexibel? Wollen Sie nicht mal was Neues probieren?«
    »Eigentlich schon. Deswegen bin ich ja hier.«
    »Ist das zweideutig gemeint, Officer?«
    »Es ist eine Mischung aus Antrag und Absichtserklärung.«
    »Ist das zweideutig gemeint?«
    »Das ist eine Mischung aus Widersinn und Trugschluß.«
    »Und was ich -«
    Ich unterbrach. »Das Widersinnige ist ein Mord, Frau Anwältin. Und die Tatsache, daß ich beabsichtige, aus der Ergreifung des Mörders Kapital zu schlagen. Der Trugschluß ist, daß - nun, zum Teil bin ich hier, weil Sie eine sehr gut aussehende und interessante Frau sind.«
    Lorna öffnete ihren Mund, um zu protestieren, aber ich sprach lauter, um sie daran zu hindern. »Verzeihen Sie mir den Ausdruck, aber wie ein Kollege von mir sagen würde - ›genug Scheiße geredet‹. Lassen Sie uns essen und über alles reden.«
    Lorna funkelte mich sprachlos an. Ich konnte sehen, daß sie sich krampfhaft eine böse Retourkutsche überlegte. Glücklicherweise kam der Ober leise angeschlichen und sagte: »Sie jetzt bestellen?«
    Bevor Lorna wieder etwas sagen konnte, nahm ich einen Schluck grünen Tee und fing an, ihr die Geschichte des Bullen Freddy Underhill, dieses Schlingels, zu erzählen. Und von seinem unglaublichen Einfühlungsvermögen und seiner Hartnäckigkeit. Sie wollte mich einige Male unterbrechen, aber ich schüttelte den Kopf und fuhr fort. Sie änderte ihren Gesichtsausdruck während meines Monologs nur einmal, als ich den Namen Dudley Smith erwähnte. Da wurde aus ihrem gedankenverlorenen Blick ein zorniger. Als ich geendet hatte, war unser Essen da. Lorna schaute von mir weg auf ihren Teller, dann schob sie ihn beiseite und zog ein Gesicht.
    »Ich kann jetzt nichts essen«, sagte sie. »Nicht nach dieser Geschichte.«
    »Glauben Sie mir denn?«
    »Ja. Ein bißchen umständlich, aber es paßt alles zusammen. Was wollen Sie jetzt von

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