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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Wassergräben. Ich ging hinter ihm und hörte sein fröhliches Kläffen. Wir gingen und gingen und gingen. Die aufgewirbelten Staubwölkchen bedeckten meine Hosenbeine bald mit reicher, dunkelbrauner Erde. Ich ging bis zu einem Punkt, von dem aus die ganze Welt verschwunden schien. Der ganze Horizont bestand nur aus tiefem, dunklem Braun.
    Ich setzte mich in den Dreck. Night Train bellte mich an. Ich nahm eine Handvoll Erde und ließ sie durch meine Finger rinnen. Ich roch an meinen Händen. Sie rochen nach Exkrementen und Unendlichkeit.
    Plötzlich kam Leben in die Wasserleitungen, die mich umgaben, und sie spritzten mich naß. Ich sprang auf und rannte in Richtung meines Wagens. Night Train auch, er überholte mich mühelos. Ein unsichtbares Uhrwerk ließ Sprinkler einen nach dem anderen hinter mir angehen. Ich rannte und rannte und rannte, nur mit Mühe konnte ich den Vorsprung vor den drei Meter hohen Fontänen halten. Erschöpft kam ich an meinem Wagen zu stehen und japste nach Luft. Night Train bellte glücklich, auch sein Atem ging schwer. Meine Schuhe, Socken und Hosenbeine waren klatschnaß und rochen nach Dung. Ich holte frische Sachen aus meinem Koffer auf dem Rücksitz und zog mich an Ort und Stelle um.
    Als ich fertig war und wieder Luft bekam, hielt mich eine unheimliche Stille umfangen. Sie hatte mich gepackt, ich konnte weder denken noch mich bewegen. Nach einer Weile fing ich an zu weinen. Ich weinte und weinte und weinte und stand da auf der staubigen Straße, die Hände auf die Kühlerhaube meines Wagens gestützt. Endlich hörte ich auf zu schluchzen, so plötzlich wie die Stille eingesetzt hatte. Ich nahm die Hände vom Wagen und richtete mich auf, schwach wie ein Baby bei seinen ersten Gehversuchen.

    Es dauerte geschlagene vier Stunden rasanten Fahrens, bis ich zurück in Los Angeles war. Ich ließ Night Train bei meiner verblüfften Wirtin, dann fuhr ich in Lornas Wohnung.
    Durch das Wohnzimmerfenster konnte ich ihr Radio plärren hören, als ich anhielt. Die Haustür war mit einem Stapel Telefonbücher offen gehalten. Sie hatte das Licht im Treppenhaus angelassen. Oben sah ich, daß Kerzenlicht ihr Wohnzimmer erhellte.
    Ich ging langsam die Treppe hoch, Stufe für Stufe, und ich räusperte mich mehrfach, um sie auf mein Kommen vorzubereiten. Lorna lag auf ihrem Sofa mit Blumenmuster, ein Arm hing über den Rand, in der Hand hielt sie ein Weinglas. Kerzen waren im ganzen Raum strategisch verteilt, auf Tischen, Buchregalen und Fenstersimsen. Ihr Licht ließ Lorna in gelbem Glanz erstrahlen.
    »Hallo, Freddy«, sagte sie, als ich das Zimmer betrat.
    »Hallo, Lorna«, antwortete ich. Ich zog eine Ottomane zum Sofa hin. Lorna trank einen Schluck Wein. »Was machtst du jetzt?« fragte sie.
    »Ich weiß nicht. Wer hat es dir erzählt?«
    »Die Sonderausgabe des Los Angeles Examiner. Underhill quittiert den Dienst. Klage angedroht. Verbindung zu Kommunisten nachgesagt. Soll ich dir das ganze Ding vorlesen?«
    Ich faßte nach ihrem Arm, aber sie zog ihn weg. »Das mit gestern tut mir leid, Lorna, wirklich.«
    »Das mit der Türe?«
    »Nein. Das, was ich zu dir gesagt habe.«
    »War das die Wahrheit?«
    »Ja.«
    »Dann brauchst du dich auch nicht dafür zu entschuldigen.«
    Im Kerzenlicht war Lornas Gesicht eine eiserne Maske. Ihr Ausdruck war ausdruckslos, und ich konnte ihre Gefühle nicht deuten. »Was hast du denn jetzt vor, Freddy?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht male ich mein Auto rot an. Vielleicht färbe ich mir die Haare rot. Vielleicht gehe ich für Nordkorea in den Krieg. Ich hab’ in meinem Leben nie halbherzige Sachen gemacht. Also, warum soll ich ein halbherziger Kommunist sein?«
    Lorna zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch, den sie ausstieß, verlieh ihr im Kerzenlicht einen weiteren Heiligenschein. Ihre Maske fiel ab. Sie wurde zornig, und das machte mir Mut. Ich warf einen Köder aus, um diesen Zorn herauszulocken. »Ich schätze, das Wunder hat mich wieder gepackt.«
    »Nein!« Lorna spuckte aus. »Nein, du Scheißkerl. Das Wunder hat dich nicht gepackt. Du hast dich gepackt! Weißt du das denn nicht?«
    »Ja, ich weiß. Und weißt du, was das einzige ist, das mir leid tut?«
    »Eddie Engels und Margaret Cadwallader?«
    »Auf die scheiß ich. Die sind tot. Mir tut nur leid, daß ich dich da mit reingezogen habe.«
    Lorna lachte. »Sollte dir aber nicht leid tun. Ich wurde durch Indizienbeweise zur Strecke gebracht und durch den klügsten, draufgängerischsten und schönsten

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