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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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erwähnen«, sagte Quinn. »Hören Sie zu: ›Ich erzählte Sarah, daß ich mich 1942 um den Wehrdienst gedrückt hatte. Sie ist der einzige Mensch außer Wacky, der das weiß. Dadurch, daß ich es ihr erzählt hatte, fühlte ich mich merkwürdig befreit.‹«
    Quinn spuckte auf den Boden. »Ich hab’ im Krieg gedient, Underhill. Ich habe einen Bruder bei Guadalcanal verloren. Alle guten Amerikaner haben gedient. Jeder Drückeberger ist ein elender Kommunist und Verräter und nicht würdig, eine Marke zu tragen. Sie haben Schande über die Polizei gebracht. Dem Chef persönlich wurde berichtet, was wir in Ihrem Tagebuch gefunden haben. Er hat dieses Verhör angeordnet. Wir hatten nur wenig Zeit, Ihre Wohnung zu durchsuchen. Weiß Gott, was wir sonst noch an kommunistischem Unflat gefunden hätten, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten. Sie können’s sich aussuchen: Entweder quittieren Sie den Dienst, oder Sie müssen sich wegen moralischer Verworfenheit vor einem internen Untersuchungsausschuß verantworten. Wenn Sie den Dienst nicht quittieren, wandert Ihr Tagebuch zum FBI. Drückebergerei verstößt gegen die Bundesgesetze.«
    Milner zog ein maschinengeschriebenes Blatt aus seiner Jackentasche. Er legte es zusammen mit einem Schreiber auf den Tisch; dann verließen er und sein Partner das Zimmer.
    Ich starrte auf das Blatt. Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Tränen stiegen auf. Ich konnte sie nur mit großer Willensanstrengung zurückhalten. Es dauerte eine Weile, aber dann hatte ich es geschafft. Ich ging zum Fenster und sah hinaus. Ich merkte mir die Zeit und prägte mir die Szenerie ins Gedächtnis, dann nahm ich mein Halfter ab und legte es auf den Tisch. Meine Marke legte ich daneben, dann unterschrieb ich meinen Abschied vom Wunder.

    Kameraschwenkende Reporter standen vor meiner Wohnung, als ich auf mein Haus zufuhr. Ich konnte ihnen nicht gegenübertreten, also fuhr ich um den Block, parkte, sprang über Zäune und betrat meine Wohnung durch den Hintereingang. Ich packte einen Koffer mit sauberen Kleidern, nahm Night Train an die Leine und ging zurück um den Block und zu meinem Wagen.
    Ohne Ziel fuhr ich nach Norden. Night Train kaute auf dem Rücksitz Golfbälle. Es war leicht, nicht an meine Zukunft zu denken. Ich hatte keine.
    Die Küstenstraße entlang zu schnurren, erinnerte mich an die Spritztour, die ich kürzlich mit Lorna unternommen hatte, und plötzlich war die Zukunft wieder da in einem wirren Knäuel von Bildern und Zusammenhängen.
    Ich sah die Telefonmasten entlang des Pacific Coas’t Highway und sehnte mich nach sofortigem, süßem Vergessen. Als die hohen, hölzernen Stengel sich zu einem endgültigen Bild formten, entfuhr mir ein unterdrücktes, trockenes Schluchzen. Dann bog ich ins Landesinnere ab und fuhr auf einer staubigen Nebenstraße durch einen Canyon, bewegte mich aufwärts durch grüne Buschlandschaften und landete eine dreiviertel Stunde später im San Fernando Valley.
    Ich fuhr wieder Richtung Norden, kam auf die Gratstraße in Chatsworth und fuhr auf ihr Richtung Grapevine und Bakersfield. Ich wollte einen Ort finden, der karg und frei von Schönheit war, gutes, flaches Land, um den Hund spazierenzuführen und zu Entscheidungen kommen zu können - ohne von der malerischen Szene abgelenkt zu werden.
    Bakersfield war nicht dieser Ort. Es war halb vier, und die Temperatur betrug immer noch über 35 Grad. Ich hielt an einer Bude und bestellte mir ein Coke. Das Coke kostete fünf Cents, das Eis dazu fünfundzwanzig. Der Mann an der Theke starrte mich fragend an. Er reichte mir das Coke in einem Pappbecher und öffnete seinen Mund, um zu reden. Ich ließ ihn nicht; ich knallte ein paar Münzen auf die Theke und lief schnell zurück zu meinem Wagen.
    Ungefähr einhundertfünfzig Meilen nördlich von Bakersfield wurde mir klar, daß ich in das Land John Steinbecks kam. Ich seufzte fast vor Erleichterung. Das war der Ort, er war erfüllt mit Schattierungen und Offenbarungen aus der sorgenfreien Zeit des Lesens und Studierens.
    Aber da wurde nichts daraus. Ich erinnerte mich wieder und wußte, daß sich in dieser Umgebung - grünes Farmland und trinkende, pittoreske Mexikaner - das Wunder sofort wieder einstellen würde, zusammen mit Schuldgefühlen, Scham, Selbstekel und Angst. Und alles würde ich so buchstabieren: Es ist aus.
    Ich fuhr an den Straßenrand. Ich ließ Night Train raus, und er rannte mir voraus in ein endlos scheinendes Gewirr von langgezogenen

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