Heimliche Hochzeit um Mitternacht (German Edition)
nächste Mal ins Dorf fährt, kann er sich nach Ihrem Gepäck erkundigen. Man wird es Ihnen herbringen, wenn man es gefunden hat.“
Vermutlich würde Seine Gnaden ihr ein Nadelgeld zur Verfügung stellen, wenn sie ihm mitteilte, dass sie ihre Truhe verloren hatte. Dann würde sie Schritt für Schritt ihre Garderobe ergänzen, damit er nicht bemerkte, wie ärmlich ausgestattet sie hierhergekommen war.
„War Ihre Gnaden lange leidend, bevor sie starb?“
„Ja, Ma’am. Die letzten zwei Monate konnte sie das Zimmer nicht mehr verlassen. Wir alle haben es kommen sehen.“
Und ihr habt eure Pflichten vernachlässigt, weil niemand da war, der euch gerügt hätte, ging es Miranda durch den Sinn. So, wie das Haus aussah, hatte der Duke die Aufsicht über das Personal noch nicht übernommen. „Und kommt die Dienerschaft gut mit ihrem Herrn zurecht?“
„Wir kennen ihn kaum, Ma’am“, erwiderte Polly. „Er ist oft fort und überlässt den Haushalt sich selbst. So manchen Abend isst er mit den Pachtbauern, oder er geht in das Wirtshaus im Dorf. Es kommt auch vor, dass er gar kein Dinner zu sich nimmt. Er verbringt viel Zeit mit den Pächtern, weil seit Langem nichts mehr für ihre Katen getan wurde. Ich denke, er hat ein schlechtes Gewissen. Wie Lord St. John seinen Tag verbringt, wissen wir nicht.“ Das Mädchen grinste. „Der junge Gentleman ist immer für ein hübsches Gesicht zu haben.“
„Hm, ich verstehe“, sagte Miranda vorsichtig. Das Letzte, was ich jetzt brauche, dachte sie. Doch er war nett zu ihr gewesen und hatte ihr geholfen.
„Er hat vorgeschlagen, Sie hier unterzubringen. Der Raum ist nicht oft benutzt worden. Seine Gnaden hätte Ihnen diesen Raum bestimmt auch zugewiesen.“
„Weshalb?“
Polly zeigte auf die Tür, die zu einem Nebenzimmer führte. „Es ist eine rein praktische Überlegung. Das hier war das Zimmer seiner verstorbenen Gattin, aber das geht zurück auf die Zeit, in der ich hier noch nicht in Diensten stand.“
„Wie … wie lange mag das her sein, Polly?“ Miranda sah beunruhigt zu dem Bett hinüber; die Vorstellung, auf einem Sterbelager zu nächtigen, gefiel ihr gar nicht.
„Über zehn Jahre, Ma’am.“ Polly folgte ihrem besorgten Blick und lächelte. „Seitdem wurden die Laken mit Sicherheit gewechselt.“
„Natürlich“, antwortete Miranda und schalt sich insgeheim für ihre törichte Eingebung. „Und seine Gemahlin starb …“
„Bei der Geburt ihres Kindes. Seine Gnaden war am Boden zerstört. Er soll damals geschworen haben, dass er das Haus eher bis auf seine Grundmauern verfallen lässt, als noch einmal zu heiraten. Die vergangenen zehn Jahre lebte er meist auf dem Kontinent und kam nur ein bis zwei Mal nach Haughleigh Grange, um nach dem Rechten zu sehen. Das war alles.“
Miranda lehnte sich in den Sessel zurück und legte die Hände auf die Lehnen. Cecily hatte ihr weisgemacht, dass sie auf einen Mann treffen würde, der zwar in Trauer gewesen war, der aber grundsätzlich nichts gegen eine zweite Vermählung einzuwenden hatte. Stattdessen verhielt es sich umgekehrt. Und er mochte an diesem Ort nicht weilen.
Kein Wunder, dass er so wütend geworden war.
Sie sollte ihn von seiner Verpflichtung, sie zu heiraten, befreien. Vielleicht würde er ihr seine Kutsche leihen, damit sie nach London zurückkehren konnte. Die Aussichten für sie waren düster. Bliebe sie andererseits bei einem Mann, der sie unfreiwillig zur Frau nahm, würde es ihr womöglich schlechter ergehen, als wenn sie ihr Leben in London stillschweigend fortsetzte.
Und sieh zu, dass du nicht die Nerven verlierst und dich von deinem Ziel abbringen lässt. Hier erwartet dich nichts, lediglich schiere Not. Vergiss dies nicht.
Immerhin gab es noch Cecily, die ihr seit Jahren mütterlich zur Seite gestanden hatte, und ihren armen, lieben Vater. Die beiden haben alles gegeben, um mir die Fahrt nach Devon zu ermöglichen – ich darf sie nicht enttäuschen, machte sie sich klar. Wenn sie tatsächlich die neue Duchess of Haughleigh wurde, fand sie vielleicht einen Weg, ihre Lieben wiederzusehen.
Wenn der Duke ihr den Umgang mit ihnen gestattete.
„Was soll nur aus mir werden?“, wisperte sie, nachdem Polly den Raum verlassen hatte.
4. KAPITEL
Der Vikar schüttelte mürrisch den Kopf, als der Duke ihm das Erklärungsschreiben hinüberschob. „Wie Sie sehen, war ich gerade dabei, Sie nach Haughleigh Grange einzuladen, um der Situation Genüge zu tun“, sagte Marcus. Er presste die
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