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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Pistole war ein Schalldämpfer geschraubt. Sie erkannte die Stimme nicht, die ihr dennoch bekannt vorkam, sie versuchte panisch, sie festzumachen, doch wie durch einen Nebel blieb sie fern.
    »Du nimmst jetzt beide Hände auf den Rücken und bist absolut still!« Der Mann sprach sehr leise und sehr bestimmt. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, um Hilfe zu rufen.
    Olga führte zuerst die rechte Hand, die mit dem Schlüssel, auf den Rücken, dann die linke, in der sie noch die Handtasche hielt. Sie spürte, wie ihre Hände mit einer Schlaufe aus Plastik über den Handgelenken so fest zusammengezogen wurden, daß es heftig schmerzte. Sie sog vor Schmerz die Luft laut hörbar ein, doch in dem Moment, als sie etwas sagen wollte, klebte ihr die Hand des Unbekannten ein Klebeband über den Mund. Der Mann drängte sie hart vom Gehweg, öffnete die hintere Tür eines schwarzen Mercedes und stieß sie in den Wagen. Er befahl ihr, sich auf den Boden zu legen, und drückte sie grob hinunter, so daß sie hustend auf dem Bauch zu liegen kam und den Staub und Straßendreck im Wagenteppich auf ihrem Gesicht spürte. Er schlug die Tür zu, ging um den Wagen herum, startete und fuhr los. Olga konnte sich nicht aufrichten, sie wurde während der schnellen Fahrt in den Kurven hin- und hergeworfen. Noch immer hielt sie Schlüssel und Handtasche fest umklammert. Sie versuchte sich vorzustellen, welche Strecke der Wagen nahm, wie oft er abbog und in welche Richtung er fuhr. Der Mercedes war die Via dell’Istria hinuntergerast, war gleich nach dem Kinderhospital rechts in die enge Via Giangiorgio Trissino abgebogen, fuhr die kleine steile Straße im zweiten Gang mit hoher Drehzahl hinunter, schoß um den Kreisverkehr der Piazzale dell’Autostrada, und Olga wurde hart herumgeworfen, als der Wagen in die Via Carnaro einbog. Sie hatte längst die Orientierung verloren, hörte aber am Fahrgeräusch, daß sie durch einen der Tunnels kamen, und hoffte, daß es die Galleria di Montebello sei, die sie in die Stadt brachte. Aber der Wagen beschleunigte weiter, anstatt abzubremsen, wie sie hoffte, also fuhren sie stadtauswärts und befanden sich jetzt auf dem Autobahnzubringer an Cattinara vorbei, auf der steilen Straße, die im Osten der Stadt von Meereshöhe in wenigen Kilometern auf vierhundert Meter Höhe in den Karst hinaufführt und von dort weiter nach Slowenien oder in Richtung Venedig. Die schnell gefahrenen Kurven bestätigten ihren Verdacht. Sie kannte diese Straße, sie war früher oft auf diesem Weg zu den Fernfahrern auf den Autohof vor der Grenze nach Fernetti gebracht worden. Erst jetzt war sie wirklich beunruhigt. Erst jetzt, da die Fahrt ruhiger verlief, hatte ihre Angst den notwendigen Raum bekommen und sie in Panik versetzt. Sie ging seit zwei Jahren nicht mehr auf den Strich, war aber im Milieu geblieben. Sie paßte auf neu angekommene Mädchen auf und brachte ihnen das Handwerk bei. Sie hatte nicht viel Mitleid mit ihnen, tröstete nur manchmal eine der ganz jungen, die ihr Schicksal nicht fassen konnte und die Gewalt, die ihr angetan wurde, nicht verschmerzte. Noch nicht. Ihr ging es besser als zuvor, das wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Sie wohnte mit ihrem Bruder zusammen, der im vergangenen Jahr nachgekommen war. Jetzt, wo sie ihn brauchte, war er nicht da. Eigentlich war sie schon zu alt, um von einer konkurrierenden Bande »gestohlen« zu werden. Sie war achtundzwanzig und hatte damit ihr »Verfallsdatum«, wie die Zuhälter sagten, schon beinahe erreicht. Ihretwegen würden sie nichts riskieren; wegen der jungen Mädchen, die noch länger als sie gute Einnahmen erwarten ließen, geschah dies durchaus. Es gehörte zum Geschäft. Olga überlegte sich, ob sie entführt wurde, um vergewaltigt zu werden, das würde sie verkraften, solange es kein Sadist war. Oder hatte ein Perverser sie verschleppt, ein Jack the Ripper Triests? Von dem hätte sie aber schon gehört, wenn sie nicht sein erstes Opfer war. Das hätte sich sehr schnell herumgesprochen. Und wem gehörte die Stimme? Olga spulte sie wieder und wieder im Gedächtnis ab, bis sie auf einmal wußte, zu wem sie gehörte. Ihre Angst nahm noch einmal zu, ihr Puls raste und Schweiß rann aus allen Poren ihres Körpers. Doch dann kam wieder eine Welle von Ruhe über sie, weil sie sich sicher fühlte. Was konnten sie ihr denn tun? Sie hatte doch das Tagebuch und die Fotos, die waren ihre Lebensversicherung und die ihrer Familie. Sie konnten doch nicht riskieren, daß deren

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