Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
der Geruch des Lokals, wo sie mit den Kollegen gegessen hatte – eine Mischung aus Bratfett und Zigarettenrauch.
»Ich bringe dir hier die Strafregister der beiden Drakics, um die du mich spätestens in einer Stunde bitten würdest. Nicht viel, aber auch nicht schön.« Sie legte die beiden Blätter auf seinen Schreibtisch. »Beide wurden vor vier Jahren auf Bewährung verknackt. Förderung der Prostitution. Komischerweise fehlt Zuhälterei im Urteil. Das gibt’s selten.«
Laurenti schaute sich die beiden Strafregisterkopien an und legte sie zurück auf den Tisch.
Er schnüffelte durch die Nase. »Was für ein Parfüm, Marietta! Warst du beim Friseur?« Er schaute sie prüfend an.
»Spinnst du?« Marietta runzelte die Stirn und trat einen Schritt zurück.
»Ach nein, Verzeihung, du warst zu Mittag essen. Was gab es denn Widerliches? Ein Fritto Misto? Es riecht zumindest so.« Wie ein Hund schnüffelte er herum.
»Dein Chef ist der charmanteste Mann Triests, Marietta«, sagte sie laut zu sich selbst und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Er versteht es immer, außergewöhnliche Komplimente zu machen, Marietta. Ja, dein Chef ist ein sehr netter Mann! Aber manchmal, Proteo, könnte ich dir ganz einfach eine runterhauen! Jeder würde das verstehen!«
»Du wirst kaum leugnen können, daß dies nicht dein übliches Parfüm ist, Marietta. Also, wie war das Fritto Misto?«
»Es war kein Fritto Misto, Laurenti! Aber wenn man mit den Kollegen essen geht, dann bleibt man auf dem laufenden. Das solltest auch du mal öfter tun.«
Marietta spielte nicht zu Unrecht darauf an, daß er schon geselliger war als in der letzten Zeit. Laurenti hatte seine Phasen. Die letzten Wochen hatte er sich über Mittag meist mit einem Buch für eine Stunde ins »Caffè San Marco« begeben, gelesen und nur Kaffee getrunken, nachdem Laura ihn einmal zu oft an der Hüfte gefaßt und den kleinen Wulst, der sich dort bemerkbar gemacht hatte, zwischen die Finger genommen hatte. »Bekommst du auch genug zu essen?« hatte sie gefragt. Tatsächlich war Laurenti schon besser in Form gewesen. Er war zwar nicht dick, doch eitel genug, um eine Mahlzeit am Tag auszulassen und die vier Kilo Übergewicht wieder abzunehmen.
»Und was hast du erfahren, Marietta?« fragte er lustlos.
»Hast du schon gehört, was am Molo VII passiert ist?«
Laurenti schaute sie geistesabwesend an und schüttelte schließlich den Kopf.
»Sie haben einen Container der ›FarEast‹ geöffnet. Du weißt, die roten mit der großen weißen Aufschrift. Er hatte schon die ganze automatische Verladestraße hinter sich gebracht und sollte auf einen Lastwagen verladen werden, als man Geräusche hörte. Zweiunddreißig Kurden. Nur Männer. Drei waren tot. Alle anderen sind in der Klinik in Cattinara. Noch ein Tag länger, und sie wären alle verdurstet. Der Container war elf Tage unterwegs. Einige von ihnen haben ausgesagt, daß sie pro Kopf sechstausend Deutsche Mark bezahlt haben und nach Deutschland wollten.«
»Es ist furchtbar, Marietta. Meine Sympathie haben die armen Teufel absolut. Auch wenn wir bei der Polizei sind, ich kann sie gut verstehen. Jetzt werden sie versorgt, bis sie wieder auf den Beinen sind, und dann abgeschoben. Haben diesen Verbrechern, denen es scheißegal ist, was mit ihnen passiert, ihr letztes Geld gegeben.«
»Daraufhin hat man weitere Container der ›FarEast‹ untersucht. Und mit einem haben sie immer noch zu tun. Der kam aus Madras. Er enthielt Millionen kleine rote Spinnen. Von der Ware ist nichts mehr zu sehen. Die Feuerwehr und die Ungezieferbekämpfung haben die Spinnen mit den ersten Maßnahmen nicht vernichten können. Jetzt setzen sie chemische Kampfstoffe ein. Stell dir das vor. Widerlich.«
»Du mußt das nicht so eng sehen. Wer weiß, was noch alles durch den Freihafen geht. Erinnere dich an den Drogencontainer nach Wien. Eineinhalb Tonnen Kokain. 250 Millionen Dollar! Das erste Mal, daß verschiedene Länder so gut zusammengearbeitet haben. Aber der Handel mit Menschen ist wirklich schlimm. Der Questore hat gestern Abend angeordnet, daß wir härter durchgreifen müssen.«
Seit die Slowenen in die EU drängten, hatte der Questore berichtet, gaben sie sich große Mühe, als Barriere zu den Schengen-Staaten zu funktionieren. Am letzten Wochenende hatten sie über hundert Illegale bei Capodistria festgenommen. Flüchtlinge aus der Türkei, Pakistan, Bangladesch, Rumänien, Kosovo und Serbien. Eine erste Gruppe wurde im
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