Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Morgengrauen entdeckt, in einem Wald nahe der slowenischkroatischen Grenze bei Jelsane. Anwohner hatten sie gesehen und die Polizei verständigt. Wenig später wurden von einer Polizeistreife fünfundzwanzig Pakistani und Rumänen festgenommen, die bereits über zwanzig Tage unterwegs waren. Zwei Wochen vorher waren sie noch in Novi Sad in Serbien. Versteckt in einem Güterzug, kamen sie nach Zagreb. In zwei Lieferwagen brachten sie drei Schleuser dann aus der kroatischen Hauptstadt nach Fiume. Danach wurden sie irgendwo über die Grenze nach Slowenien geführt und hatten sich in einem Wald versteckt, wo sie von zwei anderen mit einem Lastwagen übernommen wurden, die sie nach Udine bringen sollten. Jeder der Flüchtlinge mußte ihnen allein für die letzte Etappe nochmals zweitausendfünfhundert Deutsche Mark bezahlen. Eine andere Gruppe von einunddreißig Bangladeschern, auch Jugendliche zwischen dreizehn und neunzehn Jahren, wurden von der Polizei am Samstag morgen bei Vrtojba gestellt, einige Kilometer vor der italienisch-slowenischen Grenze bei Gorizia. Die Flüchtlinge, nach der langen Reise am Ende ihrer Kräfte, hatten erzählt, daß sie vorher von Mittelsmännern von Budapest nach Ljubljana gebracht worden waren. Dann wurde die gesamte Gruppe in einen einzigen Lieferwagen verfrachtet. Sie hatten jeweils dreitausend Mark an die Schleuser bezahlt, die im letzten Moment vor der Festnahme fliehen konnten. Sonntag Vormittag waren es elf Rumänen, die man bei Postumia aufgebracht hatte. Ihre drei Führer, die mit ihnen verhaftet wurden, hatten erklärt, daß die Flüchtlinge vor einer Woche aus Bukarest geholt worden waren, um sie als Schwarzarbeiter auf einer Baustelle und in der Landwirtschaft bei Palmanova und Pordenone einzusetzen. Inzwischen boten die Schleuser ihren »Kunden« sogar ein Paket an, das einen zweiten Versuch der Einreise vorsah, wenn der erste scheiterte.
Insbesondere die Deutschen machten Druck, damit die anderen Länder die Grenzen dichtmachten, und polemisierten schon gegen die Italiener, als die ersten großen Flüchtlingsschiffe aus Albanien übergesetzt hatten. Bilder, die niemand vergessen konnte.
»Überwach mal knapp achttausend Kilometer Küste!« Laurenti hatte mit der Hand auf den Tisch geschlagen. »Einfach unmöglich! Aber es trifft immer die Schwächsten. Und wir müssen die illegale Einwanderung bekämpfen. Auch wenn alle weiter nach Norden wollen.«
»Apropos Norden, Proteo«, sagte Marietta. »Was gibt’s Neues von Kopfersberg?«
Laurenti erzählte ihr vom Besuch in der Villa und von der Vermutung, die Orlando ausgesprochen hatte.
»Wir müssen wie gewöhnlich Steinchen um Steinchen suchen und zusammensetzen. Sei bitte so nett«, fuhr er fort, »und leite ein Amtshilfeersuchen an die Wiener Kollegen ein. Irgend jemand muß den Sohn befragen. Dr. Spartaco de Kopfersberg. Schrecklicher Name. Wir müssen wissen, ob er von seinem Vater etwas gehört hat, wo er war und den ganzen Kram. Vielleicht erreichst du jemand in Wien, mit dem du reden kannst. Und wenn nicht, dann verbinde an mich weiter. Und noch etwas: Ich möchte diesen Viktor Drakic endlich sprechen. Ruf ihn an und bestelle ihn hierher.«
»Permesso«, Claudio Fossa hatte flüchtig am Türpfosten geklopft, war ohne auf Antwort zu warten eingetreten und hatte sich Laurenti gegenüber an den Schreibtisch gesetzt.
»Ich habe den Dienstplan gemacht und einen guten Platz für deinen Journalisten gefunden. Er fährt bei Vicentino und Greco mit. Auf die ist Verlaß. Du kennst ja Vicentino selbst. Und Greco ist einer der Neuen, intelligent und ehrgeizig.«
»Man erlebt immer wieder Überraschungen!« Greco hatte gestern morgen auf ihn keinen besonders guten Eindruck gemacht. Aber vielleicht tat er ihm ja unrecht, und der arme Plattfuß war lediglich übermüdet gewesen.
»Ich bin mit ihnen die Route im Detail durchgegangen und habe Anweisung gegeben, möglichst viele Kontrollen durchzuführen. Sie übernehmen den Abschnitt bis Miramare und nach Opicina hinauf. Dazwischen sollen sie immer wieder in die Stadt zurückkehren ins Borgo Teresiano, später Richtung Muggia und ins Industriegebiet. Zum Diskothekenschluß dann wieder in die Nähe des ›Machiavelli‹. Dienstschluß um sechs Uhr. Der Mann wird müde werden.«
»Danke, Claudio.« Laurenti war soweit zufrieden, auch wenn er gehofft hatte, daß Fossa zwei andere Beamte ausgewählt hätte, die auch er besser kannte. Aber was könnte schon schiefgehen? Später
Weitere Kostenlose Bücher