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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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sich für diesen Tag nichts anderes vornahmen. Er würde vielleicht mit Livia in Ruhe reden können, und endlich würde er auch Patrizia Isabella wiedersehen. Er würde sie in Grado abholen. Seine Lieblingstochter nahm während ihrer Ferien an den Bergungsarbeiten der »Julia Felix« teil, eines römischen Handelsschiffs aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts. Im Winter 1986 hatte ein Fischer einige Amphoren in seinem Schleppnetz gefunden, was er den Unterwasserarchäologen von Maraño Lagunare gemeldet hatte. Nach langen Forschungen hatte man entdeckt, daß es sich um einen kolossalen Fund handelte: ein komplett erhaltenes römisches Handelsschiff samt Fracht. Selbst der Inhalt einiger Amphoren war noch erhalten. Zehn Jahre später hatte man endlich die Mittel für die Bergung aufgetrieben, und es war klar, daß Patrizia Isabella um jeden Preis daran teilnehmen wollte. Sie beschäftigte sich schon lange mit der Archäologie, war trotz ihrer erst neunzehn Jahre bereits zur Spezialistin geworden und würde ab dem kommenden Herbst dieses Fach und dazu klassische Philosophie in Neapel studieren. Und Laurenti, der sehr an ihr hing, hatte sie schon über fünf Wochen nicht mehr gesehen.
    18.20 Uhr
    Proteo Laurenti machte auf dem Nachhauseweg einen für seine Verhältnisse recht ungewöhnlichen Halt. Er mochte das »Caffè degli Specchi« auf der Piazza dell’Unità d’Italia ebenso wenig wie viele andere Triestiner. Es war einmal ein wunderbares altes Kaffeehaus gewesen, das schon von Italo Svevo und James Joyce gemieden wurde. Die Piazza war die Eintrittskarte zur Stadt, der Blick über den Golf wunderbar, und sogar noch im Winter konnte man, vorm Wind geschützt, draußen sitzen und die Manöver der großen Fähre der Anek-Lines beobachten. Irgendwann hatte man das Kaffeehaus leider zu Tode renoviert, wie die meisten anderen in der Stadt, und heute glich es einem schäbigen Etablissement der siebziger Jahre. Tauben belästigten die Gäste, die auf der Piazza saßen, mit unaufhörlichen Landeanflügen auf Schälchen mit Kartoffelchips oder Erdnüssen und waren nur schwer zu vertreiben. Der Service war langsam und unbekümmert, die Preise zu hoch. Aber das Café lag am besten Platz der Stadt, deswegen war es ein Anlaufpunkt für Touristen und für Triestinerinnen ab fünfzig, die einem netten Gespräch mit unbekannten Herren aufgeschlossen schienen.
     
    Laurenti hatte Eva Zurbano dort sitzen sehen, die gepflegte Prokuristin der TIMOIC, von der er am Vortag so reserviert Auskunft erhalten hatte. Sie saß alleine an einem der Tische vor den Fenstern, nahe am Eingang und im Schatten der Markise. Vor ihr stand ein Tablett aus Edelstahl, darauf ein Glas Prosecco und je eine Schale mit Oliven und Erdnüssen, daneben lagen ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug.
    Sie hatte Laurenti schon gesehen, bevor er sie erkannte. Er nickte ihr zu, und sie nickte zurück. Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf: Das könnte die Chance sein. Vielleicht war sie bei einem Aperitif gesprächiger. Schon hatte er Richtung auf ihren Tisch genommen und sagte, als er vor ihr stand, sehr höflich: »Buonasera, Signora! Um diese Zeit ist immer das schönste Licht auf dem Platz, nicht wahr?«
    »Buonasera! Ja, ich liebe diese Uhrzeit an diesem Ort. Die Sonne ist nicht mehr so grell.«
    »Ein Aperitif ist eine gute Idee. Gestatten Sie, daß ich mich einen Moment zu Ihnen setze?«
    In Wahrheit hätte auch eine Ablehnung ihn nicht daran gehindert. Er hatte längst den segeltuchbespannten Stuhl an der Lehne gefaßt und vom Tisch weggezogen.
    »Bitte, gerne!« Eva Zurbano war wirklich eine attraktive Dame, dachte Laurenti. Da war nichts Übertriebenes an ihr. Understatement, Klasse und auch das nötige Maß erotischer Ausstrahlung. Eva Zurbano wußte etwas aus ihrem Typ zu machen.
    In der Nähe des Eingangs waren die Kellner eher zu greifen als an den Tischen auf der Piazza. Laurenti bestellte einen Sprizz Bianco Bitter.
    »Signor de Kopfersberg war in Rimini. Habe ich Ihnen das schon gesagt?« begann Laurenti das Gespräch.
    Eva Zurbano schüttelte den Kopf.
    »War er öfters dort?«
    »Ich glaube nicht. Geschäftlich auf jeden Fall nicht.« Es hörte sich nicht nach einer Lüge an, was die Dame sagte.
    »Ich mache mir Sorgen«, fuhr Laurenti fort. »Sorgen, daß Signor de Kopfersberg ermordet wurde.« Laurenti sah aufs Meer hinaus und vermied es, die Zurbano direkt anzuschauen. Er wollte keine offizielle Befragungssituation herstellen, konnte aber

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