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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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wußte, daß es der Wahrheit entsprach. Man konnte ungestört ausländische Funktionäre bestechen, ohne dafür im Inland belangt zu werden. Kein Land der Erde hatte dies bisher verboten, und es gehörte zu den Geschäftsgepflogenheiten, Bestechungsgelder auf private Konten zu überweisen, um einen lukrativen Auftrag zu bekommen. Und nicht nur in die dritte Welt. Auch Europa machte da keinen Unterschied, selbst in Deutschland und Österreich war das Ausmaß an Korruption nicht geringer als in Italien. Ausgerechnet die Deutschen hatten wegen ihrer Exportstärke zu lange eine internationale Vereinbarung blockiert, mit der Bestechung auch über die Grenzen hinweg strafbar sein sollte.
    »Und warum haben Sie die Strafe bezahlt?«
    »Schauen Sie, man will schließlich weiter im Geschäft bleiben. Mi paghi, te assolvo. Wenn Sie die Strafe akzeptieren, waschen Sie sich rein. Uns wäre es auch lieber gewesen, wenn wir ausschließlich dank unserer Leistung an die Aufträge gekommen wären.« Schon wieder dieser Tonfall.
    »Kann Kopfersbergs Verschwinden damit zusammenhängen?«
    Viktor Drakic schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Wir haben uns die Hände nicht mehr schmutzig gemacht. Dafür haben wir einige Aufträge verloren. Also fehlt jeglicher Zusammenhang. Die Guardia di Finanza hat uns übrigens vor nicht allzu langer Zeit geprüft und bescheinigt, daß alles in Ordnung ist. Vielleicht sollten Sie sich dort erkundigen.«
    »Das werde ich tun.« Laurenti war aufgestanden und ging um seinen Schreibtisch herum zu Drakic. »Geben Sie bitte umgehend Bescheid, wenn Sie etwas von Herrn de Kopfersberg hören.«
    Jetzt war auch Drakic aufgestanden und reichte ihm die Hand. »Versprochen!«
    »Bevor Sie gehen, Herr Drakic«, sagte Laurenti und hielt Drakics Hand fest, »Sie selbst hatten auch einmal in Rimini zu tun, wenn ich nicht irre. Ihre Schwester auch.«
    »Ach so, das meinen Sie. Dann wissen Sie auch, daß es schon ziemlich lange her ist. Es ging übrigens nicht ganz fair zu. Wir waren unschuldig und sind es bis heute geblieben. Aber als Ausländer, erst recht wenn man aus dem Osten kommt, steht man immer etwas schneller unter Verdacht.«
    »Man soll ja auch nicht zu sehr auf alten Sachen herumreiten«, Laurenti lächelte ihn an und ließ endlich die Hand von Viktor Drakic los. »Schönen Abend.«
     
    Als Proteo Laurenti sich nach dieser Begegnung die Hände wusch, verspürte er plötzlich einen nagenden Hunger. Ein Mittagessen war ihm nicht vergönnt gewesen, und bis zum Abendessen dauerte es noch zu lange. Er beschloß, in einer Bar ein Tramezzino zu essen. Außerdem hatte er Laura versprochen, am Abend mit ihr zu einer Ausstellungseröffnung der Galerie »Artecon temporanea« zu gehen. Die Freunde, bei denen seine Tochter Livia neben ihrem Studium arbeitete, hatten nicht allzu weit von der Wohnung der Familie Laurenti entfernt ihre Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet, die sich schnell zu einer der experimentierfreudigsten ganz Italiens entwickelte. Es war nicht so, daß Proteo Laurenti alles gefiel, was sie zeigten. Manches, insbesondere in der Fotografie, schien ihm modernistischer Käse zu sein. Der Mazedonier zum Beispiel, der seinem Schäferhund einen Zungenkuß gab. Wer’s mag. Aber er mochte Marco und Cristina, die Galeristen, und die Eröffnungen waren meist besonders schön und wurden häufig mit einer Party in der Wohnung der beiden in der Via San Spiridione beschlossen. Bei solchen Gelegenheiten mußte Laurenti grundsätzlich vergessen, welchen Beruf er ausübte. Diese Künstler schienen ihm oft genug ein besonders exzentrisches Völkchen zu sein.
    Und morgen würde seine Mutter aus Salerno ankommen. Mit dem Zug, weil sie der Fliegerei noch immer nicht traute und lieber volle Abteile und knappe Sitzplätze der Ferrovie Statale in Kauf nahm. Denn am Sonntag wollten sie nach San Daniele, dem Geburtsort Lauras im Friaul, deren Mutter ihren achtzigsten Geburtstag mit einem großen Fest feiern würde. Alle Geschwister Lauras aus dem Ausland reisten an, mit Kind und Kegel. Aber nicht nur, weil die Familie beste Schinken produzierte, angesehen und vermögend war, rechnete man mit etwa fünfhundert Gästen. Proteo Laurenti war es recht. Die Mehrzahl der angeheirateten Verwandtschaft war ganz in Ordnung, und mit einigen von Lauras zahlreichen Geschwistern verstand er sich ausgezeichnet. Und die Kinder würden mitkommen. Sie waren von ihrer Mutter schon seit Wochen darauf eingeschworen worden, daß sie

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