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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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der älteste Sohn, galt als Nachfolger seines Vaters in der Dynastie. An seiner Ausbildung hatte man nicht gespart. Er studierte in seiner Geburtsstadt Lecce in Jurisprudenz und in Mailand in Ökonomie. Tremani hatte die beiden Studien mit Erfolg abgeschlossen und danach berufliche Erfahrung in einer der großen internationalen Wirtschaftskanzleien Mailands gesammelt. Reede und Handel waren seine Spezialgebiete. Wenn einer aus seiner Familie vor dem Abschluß eines bedeutenden Geschäfts stand, konsultierte er zuvor Vincenzo. Aber auch andere Menschen kamen zu ihm, um sich Rat zu holen. Weil er häufig auf Reisen war, hatte er einen festen Wochentag eingerichtet, an dem jeder Bürger aus Lecce zu ihm kommen konnte. An diesem Tag gehörte er dem Volk, und er versuchte, möglichst keinen dieser Tage ausfallen zu lassen. Seine Familie war für die Bürger da und die Bürger auch für die Familie. An gegenseitiger Loyalität mangelte es nicht. Jeder wußte, daß Dr. Dr. Vincenzo Tremani niemals Notizen machte, nie einen Brief schrieb und auch nur selten das Telefon benutzte. Tremani war davon überzeugt, daß man fast alles im persönlichen Gespräch regeln konnte. Und gerade hatten sie vereinbart, welche Container-Schiffe sie von welchem Hafen aus nach Triest schickten und mit welchen Kapazitäten. Alles wurde von Lecce aus dirigiert. Es brauchte längst keinen eigenen Hafen mehr dazu. Ob das Gerät in Bari lag, in Marseille, Haifa oder Alexandria, spielte keine Rolle. Viel wichtiger war, daß man guten Kontakt zu den Quellen hatte. Und das war mit dem kleinen Kaufmann in Triest schon lange geregelt. Ohne sie hätte der den gewaltigen Auftrag nie bewältigen können. Sie hatten ihn schon lange im Griff, und wenn er Schwierigkeiten machte, wäre sein Leben keine Sekunde mehr sicher.
     
    Tremani war um dreizehn Uhr auf dem Triestiner Flughafen »Ronchi dei Legionari« mit seiner Maschine gelandet, dort, wo sich einst DAnnunzio mit seinen Freiwilligen zum Marsch auf Fiume gesammelt hatte, und unweit der Massengräber der zwölf Isonzo-Schlachten des Ersten Weltkriegs. Ein Mann war immer an Tremanis Seite: Pasquale Esposito. Zweiunddreißig Jahre alt, groß und durchtrainiert, aber ohne die Statur eines Leibwächters, Pilot, Fahrer und Sekretär. Auch er stammte aus Lecce und hatte dank Don Tullios finanzieller Unterstützung die Handelsschule besuchen können. Esposito stammte aus keiner wohlhabenden Familie, aber er war begabt gewesen, was Don Tullio erkannt hatte. Der Tremani-Clan unterstützte viele ärmere Bürger, die dafür der Familie treu ergeben waren.
    Esposito hatte die Maschine ausrollen lassen und sie auf der Parkposition für Gäste links vom Flughafengebäude angehalten. Er hatte gewartet, bis der Ton der Turbinen schließlich erstarb, dann die Kabinentür geöffnet und die hydraulische Treppe ausgefahren. Er hatte auch die Limousine ohne Fahrer bestellt, die schon bereitstand. Tremani, mit einem Aktenkoffer in der linken Hand, war bereits vorausgegangen, während Esposito die Maschine abschloß und die zwei Koffer sowie eine Reisetasche zum Wagen brachte. Sie würde nicht gewartet werden müssen, der Flug von Lecce war kurz – sie hätten auch mit einem schnellen Motorboot wenig mehr als einen halben Tag gebraucht, um nach Triest zu kommen, doch Tremani zog das Flugzeug vor.
    Im Hotel »Duchi d’Aosta« war wie immer eine Suite auf den Namen Romano Rossi reserviert. Er stieg seit langem in diesem Hotel ab. Sie würden drei Tage in Triest zu tun haben. Für die Geschäfte mit dem Nordosten war der Standort gut. Die Partner aus Ungarn, Slowenien, Kroatien und aus Österreich konnte man leichter hierher bestellen als nach Lecce, und außerdem war man in dieser ruhigen Stadt vor Störungen sicher. Esposito hatte die Termine vereinbart und kannte sie auswendig. Auch er hatte ein gutes Gedächtnis, darin waren sich beide ähnlich.
    »Pasquale«, sagte Tremani zu Esposito, als dieser den Laptop in der Suite an die Telefondose anschloß und versuchte, die Internetverbindung herzustellen, »ich will, daß uns Rallo berichtet, wie es um die Konten Kopfersberg bei der Banca Nordeste steht. Er hat uns lange genug verarscht. Rallo muß uns Einsicht gewähren. Haben wir etwas gegen ihn in der Hand?«
    »Im Moment nichts Konkretes, wo wir nicht selbst mit drin hängen«, sagte Esposito, ohne sich vom Bildschirm abzuwenden. Aus dem Lautsprecher des Computers klangen die Verbindungsgeräusche, und das Gerät klinkte

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